FC St. Pauli: Interview mit Lasse Sobiech

"Der Drittletzte könnte noch aufsteigen"

Autor: Christian Slotta Veröffentlicht: Samstag, 17.03.2018 | 17:30
Lasse Sobiech, Kapitän des FC St. Pauli

„Alles ist noch möglich“ – Lasse Sobiech sieht die Liga ausgeglichener denn je. ©Imago/Eibner

Lasse Sobiech ist der Abwehr-Chef des FC St. Pauli. 126 Zweitliga-Spiele hat der Innenverteidiger bereits für die Hamburger bestritten, spielte in dieser Zeit sowohl gegen den Abstieg wie auch um den Aufstieg mit.

Im Sommer läuft der Vertrag des 27-Jährigen aus. Seine Zukunft ist völlig offen. Im exklusiven Liga-Zwei.de-Interview blickt Sobiech auf die Saison zurück, spricht aber auch über Statussymbole, seine Zeit beim Stadtnachbarn Hamburger SV und Ex-Trainer Jürgen Klopp.

Herr Sobiech, der FC St. Pauli steht aktuell im gesicherten Mittelfeld, befand sich aber zwischenzeitlich auch im Aufstiegs- und im Abstiegskampf. Wie erleben Sie diese „Fahrstuhl-Saison“?
Lasse Sobiech: „Wir können mit dem Saisonverlauf nicht zufrieden sein. Wir hatten uns vorgenommen, dauerhaft im oberen Tabellendrittel mitzuspielen. Nun ist weiterhin alles eng beieinander.  Alles ist noch möglich. Wir sind von den beiden Relegationsplätzen ähnlich weit entfernt. Die ganze Liga ist wahnsinnig eng. Theoretisch hat der Drittletzte noch immer die Chance, letztendlich aufzusteigen.“

Nächste Saison werden Fußball-Schwergewichte wie der 1. FC Köln, der Hamburger SV oder der VfL Wolfsburg wohl runter in die 2. Bundesliga kommen und mit viel Geld den sofortigen Wiederaufstieg anstreben. Wäre der Traum von der Bundesliga damit vorerst verbaut?
Sobiech: „Natürlich wird es vermeintlich schwieriger, wenn Top-Bundesligisten mit viel Geld herunterkommen. Andererseits ist in der 2. Bundesliga alles möglich. Es gab schon viele Vereine, die den Wiederaufstieg trotz eines hohen Etats nicht geschafft haben. Aber zugegeben: Diese Saison wäre die Aufstiegs-Chance von den Mannschaftskonstellationen besser gewesen.“

„ Die Fans tragen uns. ”
über die Atmosphäre am Millerntor

Der FC St. Pauli zählt zu den heimschwächsten Mannschaften der Liga, obwohl die Stimmung im Millerntor-Stadion als einzigartig gilt. Erzeugt die tolle Atmosphäre eventuell zu viel Druck?
Sobiech: „Mit dem Druck hat das überhaupt nichts zu tun. Der Druck wäre viel größer, wenn wir wüssten, wir würden bei jeder schlechten Aktion ausgepfiffen werden. Bei uns ist genau das Gegenteil der Fall. Die Fans tragen uns. Unser Wille ist groß, den Fans dafür auch etwas zurückzugeben. Warum das bislang zu selten gelang, wissen wir leider selber nicht. Ansonsten hätten wir das abgestellt.“

Wie schwierig war es für die Mannschaft, dass es mit Ewald Lienen, Olaf Janßen und nun Marcus Kauczinski drei verschiedene Trainer innerhalb von sieben Monaten gab?
Sobiech: „Besser wäre es natürlich gewesen, wir hätten durchgehend den gleichen Trainer gehabt, sodass sich die Mannschaft Step-by-Step weiterentwickeln kann. Die Saison hat gezeigt, dass uns die klare Linie gefehlt hat. Andererseits kann ein Trainerwechsel auch neue Impulse bringen, da jeder Trainer seine eigene Philosophie mitbringt.“

„ Manche Spieler beflügelt Druck auch. ”
über die Mertesacker-Diskussion

Welche Impulse konnte Marcus Kauczinski der Mannschaft geben?
Sobiech: „Er fand im Dezember eine Mannschaft vor, die zwei derbe Klatschen erlebt hatte. Somit war es das Wichtigste, wieder die Basics zu vermitteln. Es ging darum, nicht zu lange den Ball zu behalten, sondern schnell nach vorne zu spielen und zum Torabschluss zu kommen.“

Der Ex-Nationalspieler Per Mertesacker hat sich negativ über den Druck im Profifußball geäußert und berichtet, er habe vor den Spielen oftmals mit Übelkeit und Durchfall zu kämpfen. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Sobiech: „Ich finde es immer gut, wenn jemand preisgibt, wie er fühlt und denkt. Allerdings geht jeder Spieler mit dem Druck anders um, manche beflügelt das auch. Ich bin auch vor einigen Spielen sehr aufgeregt, freue mich aber dennoch immer sehr darauf.“

Ihre Profilaufbahn begann bei Borussia Dortmund unter Trainer Jürgen Klopp. Sie haben unter ihm zwar kein Bundesligaspiel bestritten, standen aber mehrmals im Kader. Wie haben Sie Klopp damals erlebt?
Sobiech: „Unter Jürgen Klopp lernt man als junger Profi sehr schnell, was es bedeutet, Herren-Fußball zu spielen. Man wird nicht gestreichelt, sondern muss sofort den Kampf annehmen. Ansonsten wird man ganz schnell wieder zurück in die 2. Mannschaft gesteckt. Ich habe viel unter ihm gelernt.“

„ Das ist einfach Geschmackssache. ”
über seinen Kleinwagen

Sie haben in Hamburg nicht nur für den FC St. Pauli, sondern in der Saison 2013/2014 auch für den Hamburger SV gespielt. Wie sehr unterscheidet sich das Umfeld der beiden Stadtrivalen?
Sobiech: „Jeder Verein hat ein anderes Umfeld. Als ich beim HSV gewesen bin, hatten wir eine sehr schwierige Saison und spielten gegen den Abstieg. Es ist nicht ungewöhnlich, in so einer Phase auch einmal ausgepfiffen zu werden. Das ist nicht schön, ist aber dennoch eine lehrreiche Erfahrung. Letztendlich aber hatte ich beim HSV kein glückliches Jahr.“

Während viele andere Profis bereits in jungen Jahren sich über Ihren Sportwagen identifizieren, fahren Sie seit vielen Jahren den gleichen unauffälligen Kleinwagen. Legen Sie keinen Wert auf Statussymbole?
Sobiech: „Das ist einfach Geschmackssache. Ich lege keinen großen Wert auf Autos. Mir ist es zum Beispiel wichtiger, dass ich schön wohne. Darin investiere ich gerne. Ansonsten mache ich mir nicht viel aus solchen Dingen wie Autos. Daher fahre ich seit vielen Jahren auch das gleiche Automodell.“

Sie gehören auch gefühlt zu den wenigen Fußballprofis, die nicht tätowiert sind. Inszenieren Sie sich selber nicht so gerne?
Sobiech: „Tätowierungen finde ich nicht so passend für mich. Ich habe festgestellt, dass ich vor vier, fünf Jahren über einige Dinge anders gedacht habe als heute. Möglicherweise würde ich eine Tätowierung, die ich heute gut finde, in fünf Jahren nicht mehr mögen. Also lasse ich es lieber sein.“

Ihr Vertrag beim FC St. Pauli läuft zum Saisonende aus. Ihre Zukunft ist völlig offen. Wie weit sind Sie als Spieler in die Vertragsverhandlungen mit eingebunden?
Sobiech: „Mir persönlich ist es wichtig, immer über den aktuellen Stand informiert zu sein. Ich möchte also wissen, wie der Verhandlungsstand ist und was für Angebote da sind. Ich bin nicht nur mit meinem Berater im Gespräch, sondern auch mit den Verantwortlichen im Verein. Das läuft hier beim FC St. Pauli sehr gut.“

Herr Sobiech, vielen Dank für das Interview!

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