Chapeau, Linton Maina

Die besondere Leistung des 22. Spieltags

Autor: Luis Hagen Veröffentlicht: Dienstag, 18.02.2020 | 08:00
Linton Maina beim Torjubel

Torjubel möchte man in Hannover noch öfter sehen von Linton Maina (m.). ©Imago images/Nordphoto

Auf den ersten Blick wird niemand darauf kommen, doch Liga-Zwei.de hilft allen gern auf die Sprünge: Was haben Jerome Boateng, Sami Khedira, Leon Goretzka mit Hannovers Himmelsstürmer Linton Maina gemeinsam? Sie glauben, es könne hier keine Gemeinsamkeit existieren?

Doch, es gibt sie, denn es gibt ihn: Adolf Remy. Der ist Fußball-Liebhaber, Fußball-Lehrer, Fußball-Kenner. Eine Art Fußball-Weiser und aktuell auch mit 84 Jahren immer noch kein bisschen müde, wenn es darum geht, auf den Spielfeldern der 14-, 15-jährigen Straßenfußballer nach dem besonderen Talent, nach dem sogenannten Unterschiedsspieler Ausschau zu halten.

Alle die Genannten hat Remy in diesen jungen Jahren entdeckt und sie in jene Ausbildung gesteuert, in der sie sich entscheidend verbessern und den Sprung in den großen Fußball realisieren konnten.

Als Toptalent entdeckt, trotz 1:7

Als Linton Maina, dieser flinke Dribbler, der mit seiner wuscheligen Haarpracht aussah wie der berühmte Kollege Leroy Sané, auf einem Nebenplatz des Jahn-Sportsparks in Berlin-Mitte zum ersten Male in das Blickfeld des Großmeisters im Scouting von Fußballbegabungen gestürmt ist, war er gerade 15 Jahre alt. Er spielte für den nicht zwingend als Talenteschmiede bekannten SC Empor und verlor gerade ein Match so hoch wie nie zuvor in seinem Leben: 1:7 gegen die längst besser trainierten und im Teamverbund besser strukturierten Gleichaltrigen von TeBe Berlin.

Während Linton Maina an diesem Tag mit Tränen des Leids in die Kabine marschiert ist, kämpfte Adolf Remy am Spielfeldrand mit Tränen der Freude. Ja, auch dieser Junge hat wieder dieses Besondere, dachte sich Remy, der Mann mit diesem Blick für das Schöpferische, für den Genius des Fußballs. Einst war er eine Art Entwicklungshelfer in Sachen Fußball: Als Fußball-Lehrer erster Deutscher in Österreich (Sturm Graz) und dann – welch ein Sprung – als erster Deutscher im Fußball Chinas aktiv, nämlich als Teamchef der Nationalmannschaft. Ja, Remy war immer Pionier, Kundschafter und Visionär. Auch bei Linton Maina.

Und so erinnert sich Remy genau und berichtet dies: „Der Junge ist gerade furchtbar verprügelt worden, doch wie er sich bis zum bitteren Ende gewehrt und es immer wieder probiert hat, sich mit dem Ball am Fuß durchzusetzen, dies hat mir imponiert und mich nicht losgelassen. In den nächsten beiden Spielen, die ich mir von ihm anschaute, ist Maina dann endgültig in mein Fußballherz gehüpft und so war mir klar: Den Jungen muss ich kennenlernen.“

Was er bei dem Jungen daheim antraf, wie achtsam die Mutter sich alleinerziehend um ihn und seine Schwester kümmerte, gefiel ihm und ließ ihn ruckzuck aktiv werden: Eine der Schlüsselfiguren in Remys Netzwerk ist Christoph Dabrowski. Dem hatte er einst ebenfalls bei einem kleinen Klub in Berlin entdeckt und dann über Hertha BSC und Werder Bremen den Weg in den Profifußball geebnet. Inzwischen ist Dabrowski als Fußball-Lehrer in der Ausbildungsabteilung von Hannover 96 aktiv.

Anfangs plagten Heimweh, Sehnsucht, Liebeskummer

So stand nach einer Woche mit vielen Leistungstests in der Eilenriede fest: Linton Maina, nunmehr 16, wird aufgenommen ins Fußball-Internat und in die U17-Junioren von Hannover 96. Die wurden damals von Steven Cherundolo trainiert und auch dem entging nicht, welch ein spannendes, inspirierendes und vielversprechendes Fußball-Talent ihm hier aus Berlin zugeführt worden war.

Linton Maina von Hannover 96

Ins kalte Wasser: Linton Maina kam 2018 aus der U19 gleich in die Bundesliga. ©Imago images/Kolbert Press

Doch diese jungen Kerle aus der Hauptstadt tun sich oftmals schwerer als andere damit, ihrem Elternhaus, ihren Freunden, ihrem Kiez den Rücken zu kehren. Heimweh, Sehnsucht, Liebeskummer fressen Energien auf und nagen an der Bereitschaft zur 100-Prozent-Disziplin. „Da habe ich mir manchmal Dinge erlaubt, die gehen gar nicht“, berichtet Linton Maina in einem Interview mit 96-TV und zeigt sich dabei dankbar, wie Hannovers Fußball-Idol Cherundolo damit umgegangen ist.

Auch Adolf Remy kennt seinen Schützling in der Rolle des Schluderjans und verrät Liga-Zwei.de, dass es auch im Verlauf dieser Spielzeit einen Aufreger gegeben hat. So verpasste Maina am Bahnhof in Hannover die Abfahrt des ICE zu einem Auswärtsspiel, weil er sich unbedingt noch einen Döner zubereiten lassen musste.

Dass ein Teamkollege anwesend war und somit im selben Schlamassel steckte, hat die Sache möglicherweise günstiger ausgehen lassen. „Tatsache ist“, bemerkt Remy schmunzelnd, „diese Coaching-Themen, also pünktlich sein und sich gesund ernähren, sind bei Linton immer noch nicht für jede Lebenslage konditioniert.“

Horst Held hatte in seiner Funktion als Fußballchef der 96er diesen Wirbelwind aus Berlin mit einem Vierjahresvertrag bis 2022 ausgestattet. Der Reporter des Übertragungssenders Sky hat die vielen mutigen Dribblings und Sprints von Maina gegen den großen HSV nun sogar sehr optimistisch bewertet und mit der Spekulation überrascht, dass Hannover 96 diesen tollen Burschen eine weitere Spielzeit in der 2. Bundesliga wohl kaum würde halten können.

Das große Ziel: Selbst torgefährlicher werden

Nun, 22 Spiele hat Maina bereits in der vorigen Saison in der Eliteliga absolviert. Doch soeben erst sein 13. Match in der 2. Bundesliga gespielt. Im Herbst des vorigen Jahres durchkreuzten einige Blessuren an Knie und Hüfte, ausgelöst von muskulären Defiziten, seinen Höhenflug. Doch mit einem intensiven Athletikprogramm stabilisiert, hat Maina nun wieder auffällig Fahrt aufgenommen.

Zum vierten Male hintereinander über die volle Spielzeit. Und das Duell mit dem HSV war wieder ein sehr guter, vielleicht sein bester Auftritt.  Jedenfalls war er das Beste, was 96 in dieser Spielzeit gezeigt hat.

Ja, mehr von dieser Stabilität bräuchte es für einen Karrieresprung mit einer Rückkehr ins Fußball-Oberhaus. Und es bräuchte eigene Treffer. Doch aktuell spielt er am Flügel. Ob rechts oder links, dort ist er angewiesen auf die Zuliefererdienste seiner Kollegen. „Ideal wäre“, glaubt sein Entdecker Remy, „Linton könnte sich für eine zentralere Aufgabe hinter den Spitzen empfehlen. Dann käme er schneller in die Brennpunkte und wäre selbst torgefährlicher.“

Klingt so, als entsteht hier gerade wieder eine große Karriere. Vielleicht gar aufs Neue eine der Kategorie Boateng, Khedira und Goretzka. Der Fußball-Guru Adolf Remy schließlich kennt den Weg dorthin.

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