Chapeau, Simon Zoller

Die besondere Leistung des 11. Spieltags

Autor: Luis Hagen Veröffentlicht: Montag, 14.12.2020 | 14:50
Simon Zoller jubelt gegen Paderborn.

Lässt beim Torjubel die Muskeln spielen: Simon Zoller. ©imago images/foto2press

Einen Moment lang ließ sich Thomas Reis ein wenig verführen von der Frage des Hörfunk-Reporters nach Simon Zoller und Robert Zulj. Warum die beiden besten Torschützen und Scorer des VfL Bochum inzwischen so gut zusammenpassen, wurde der Trainer des VfL Bochum nach dem 3:0 über den SC Paderborn in der Medienrunde gefragt.

Niemals öffentlich einzelne Spieler aus dem Verbund der Gemeinschaft herauszuheben, gehört eigentlich zu den Prinzipien des besten Punktesammlers unter den Fußball-Lehrern des gesamten Fußballjahres 2020 in der 2. Bundesliga.

Doch wie das so ist in diesen Zeiten der digitalen Konversation. Die Blicke eines Interviewten schweifen beim Reden die ganze Zeit nur in das Vakuum des Raumes. Bei so viel Leere geraten eigene Regeln plötzlich in Vergessenheit. Und so lässt sich Thomas Reis auf einen Kompromiss ein.

über Bochums Nummer 9
„ Simon Zoller ist besonders wichtig für uns mit seinem überragenden Anlaufverhalten ”
Trainer Thomas Reis

„Simon Zoller ist besonders wichtig für uns mit seinem überragenden Anlaufverhalten. Wir erzielen mit ihm hohes Tempo. Mal über außen, mal für das Spiel zentral in die Tiefe“, bemerkt Reis. Freilich ohne auf irgendeine denkbare besondere Verbindung oder Beziehung seiner aktuellen vierbeinigen Torfabrik mit dem Standort Bochum einzugehen: „Warum sie so gut zusammenpassen? Das muss man sie am besten selber fragen“, entgegnet Thomas Reis stattdessen.

Pracht an Inspiration, Rasanz und Spielwitz

Selbstverständlich hat er inzwischen bemerkt, wie leicht er hätte in die Bredouille geraten können, in diesem Moment Geheimnisse seines überfallartigen und dennoch jederzeit schlau durchdachten Offensivspiels preiszugeben. Eine solche Pracht an Inspiration, Rasanz und Spielwitz bei der Entstehung sowie eine derart verlässliche Eiseskälte beim Verwerten findet ihresgleichen in der 2. Bundesliga in dieser Bandbreite nur ganz selten.

Natürlich hätte Thomas Reis einfach sagen können, dass beide Spieler eben verdammt gute Kicker sind und sich deshalb so gut verstehen. Wie bei diesem jüngsten Ruckzuck-Sieg mit drei Treffern in sieben Minuten.

Und mittendrin immer wieder Simon Zoller. Wenn er am rechten Flügel schnell wie ein Pfeil ausbricht, macht er im Zentrum Platz für die anderen. Wie vor dem 1:0 für Robert Zulj, über den Thomas Reis sagt, dass er ihm fußballerisch nichts mehr beibringen könne.

Und wenn Simon Zoller selber in die offensiven zentralen Brennpunkte hetzt, können ihn die Abwehrspezialisten des Gegners nicht bremsen. Mal kommen sie zu spät, dann gibt es wie beim zweiten Bochumer Treffer einen Strafstoß.

Mit elf Punkten in der Scorer-Wertung Vierter

Oder sie sind eben gar nicht präsent wie bei Treffer Nummer drei in diesem Match, dem sechsten für Zoller in dieser Spielzeit. Und weil obendrein noch fünf Assists aktenkundig sind, rangiert Bochums Neuner in der aktuellen Scorer-Wertung der 2. Bundesliga mit elf Punkten auf Platz vier.

15 Tore und sieben Torvorlagen in 38 Einsätzen in der 3. Liga für den VfL Osnabrück waren auch schon in der Spielzeit 2011/12 für den damals erst zwanzigjährigen Zoller eine erstaunliche Ausbeute für einen Newcomer aus der U23 des Karlsruher SC.

Die Profikarriere begann als Mitbringsel

Eigentlich hatten Pele Wollitz und seine Kollegen aus dem Osnabrücker Trainerteam Simon Zoller damals gar nicht im Blick. Allein einen linken Verteidiger haben sie gebraucht. Beim KSC war Marcus Piossek zu viel an Bord. Den wollten sie und den bekamen sie. Doch nur im Doppelpack mit Zoller. Also nahmen sie auch ihn.

Das ist ein Rückblick, der eine pikante Note enthält: Wohl nicht viele Topstürmer der 2. Bundesliga räumen gern ein, dass sie ihre Karriere als Profikicker einst realisieren konnten, weil sie sich im Verbund mit einem Wunschspieler als Mitbringsel platzieren ließen.

Heute können alle darüber herzlich lachen. Denn Zoller hat in Osnabrück schnell bewiesen, dass er viel mehr ist als eine Zugabe ohne Wert. Im Handumdrehen ist er an der Bremer Brücke in die Herzen der VfL-Fans gestürmt. Womit er schon damals punkten konnte?

Die Antwort könnte aktuell auch aus dem Munde von Thomas Reis stammen: Mit seinem superschnellen Antritt, mit seiner Beweglichkeit, mit der immer anspielbar ist und mit seinem Sinn für schnelles Direktspiel. So war schon ziemlich früh klar: Um Zoller zu halten, hätte der VfL Osnabrück in die 2. Bundesliga aufsteigen müssen.

Dynamo Dresden vermasselte letzte Chance

Der dritte Rang mit 73 Zählern brachte zwar die Chance der Relegation. Doch nicht den Aufstieg. Dynamo Dresden war im Stichkampf ein Tor besser und vermasselte Osnabrück die letzte Chance auf einen Zoller-Verbleib.

Dem 1.FC Kaiserslautern waren die 15 in Osnabrück erzielten Treffer des Simon Zoller 300.000 Euro Ablöse wert. Das war eine großartige Investition. Denn schon nach 13 Treffern in 28 Liga-Einsätzen für die „Roten Teufel“ erhöhte sich der Wert dieser Entschädigungszahlung um das Zehnfache. Dank des 1.FC Köln, der 3.5 Millionen Euro an den Betzenberg überwies.

Auch beim großen „Effzeh“ erlebte Zoller so manches Highlight und erzielte er so manchen Treffer. Doch unter dem Strich hat auch Zoller zunehmend die Energie verlassen, ständigen Kölner Zweifeln an seiner dauerhaften Tauglichkeit für fußballerische Erstklassigkeit die Stirn zu bieten. Terodde, der denselben Vornamen trägt wie Zoller, kennt dieselben Muskelspiele an gleicher Stelle.

Erfolg ist, wenn Zoller im Jubel seinen Bizeps zeigt

Das kann sich alsbald ändern. Denn tief im Westen, also hier beim VfL Bochum, ist dieser Simon Zoller so sattelfest wie nie zuvor auf Torejagd unterwegs. Und über Muskelkraft verfügt er inzwischen genügend. Wenn ihm einer seiner Treffer besonders gut gefällt, dann rollt er seinen rechten Oberarm frei und zeigt im Sturm seines Jubels seinen trainierten Bizeps.

Nun kann dieser Weg durchaus im Fußball-Oberhaus münden. Denn die Entwicklung des VfL Bochum verläuft bis hierher wie eine Wiederholung der Erfolgsstory von Arminia Bielefeld. Vor allem auch dank Simon Zoller.

Von Thomas Reis stammt diese These übrigens nicht. Er ist seinen Grundsätzen völlig treu geblieben.