Marco Richter exklusiv: Über Darmstadt, Kohfeldt und die schwerste Zeit seines Lebens
Vergangene Saison stieg er mit dem HSV auf, nun ist er mit Darmstadt vorne dabei
© IMAGO / Jan Huebner
Mit LIGA-ZWEI.DE spricht Marco Richter (28) über die erfolgreiche Hinrunde und das bevorstehende Spiel gegen den SC Paderborn (Freitag, 18:30 Uhr), aber auch über die schwierigste Zeit seines Lebens.
Herr Richter, der SV Darmstadt ist seit sechs Spielen ungeschlagen, hat vier Spiele davon gewonnen und ist auf Tabellenplatz 3 vorgerückt. Was macht die Mannschaft momentan so stark?
Wir sind sehr flexibel in unserem Spiel und haben eine gute Grundstimmung in unserem Team. Jeder gibt alles, niemand macht einen Meter weniger. Die logische Konsequenz ist, dass unser Spiel auf dem Platz sehr gut aussieht. Und natürlich haben wir einen Trainer, der uns sehr gut auf die Gegner einstellt.
Sie wissen, wie man aufsteigt. Vergangene Saison waren Sie von Mainz nach Hamburg verliehen und feierten schlussendlich den Bundesliga-Aufstieg. Was können Sie aus dieser Erfahrung mitnehmen?
Ich glaube, gar nicht mal so viel, weil ich das ganze Thema eigentlich so angehe wie immer. Wir sind in Darmstadt sehr entspannt. Wir wissen, was wir können. Die Tabelle sieht gut aus, aber wir schauen trotzdem von Spiel zu Spiel, ohne uns großen Druck zu machen – so spielt es sich am einfachsten. Klar, der Aufstieg war etwas extrem Schönes. So etwas erlebt man natürlich gerne, am besten sogar öfter, wenn man in dieser Situation ist. Aber daran will ich jetzt gar nicht denken. Die Erfahrung, die ich mitbringe, ist eher fußballerischer Natur, weniger das, was letztes Jahr passiert ist.
Sie haben für Großstadtvereine mit einem hohen Medienaufkommen wie dem HSV oder Hertha gespielt, kennen aber auch „ruhigere Klubs“ wie Mainz oder jetzt Darmstadt. Wo ist es angenehmer?
Das ist für mich eigentlich gar kein großes Thema. Klar, wenn du in Berlin spielst, wo alles größer ist, ist es auch extremer. Beides hat Vor- und Nachteile. Hier ist es ruhiger – so wie damals in Mainz oder Augsburg. Aber das macht für mich oder für uns in der Mannschaft keinen großen Unterschied.
Sie sind in dieser Saison sehr erfolgreich, obwohl immer wieder Verletzungsausfälle zu kompensieren waren. Wie bekommt Ihre Mannschaft das hin?
Das liegt daran, dass wir sehr flexibel sind – nicht nur im Spiel, sondern auch im Kader. Wenn Spieler wie zuletzt Fabian Nürnberger oder Fraser Hornby ausfallen, kommen andere rein, die vielleicht vorher nicht so viel gespielt haben, aber trotzdem täglich ihr Bestes geben. Ich war selbst mal draußen, habe mich aber nicht hängen lassen. Das gefällt mir hier sehr: Jeder will sich verbessern, die Bedingungen dafür sind da. Wenn jemand ausfällt, ist sofort jemand da, der top vorbereitet ist – taktisch, körperlich und mental. Wir bekommen viele Analysen und Hilfestellungen. Das ist ein großer Pluspunkt: Jeder zieht an einem Strang.
Ihre Mannschaft arbeitet mit dem Sportpsychologen Prof. Dr. Andreas Marlovits zusammen. Inwiefern kann er der Mannschaft helfen?
Das ist individuell. Wer es braucht, gerne – wer nicht, muss auch nicht. Niemand wird unter Druck gesetzt. Mir tut so etwas sehr gut. Er ist regelmäßig bei der Mannschaft, beobachtet das Training, nimmt die Stimmung auf und führt auch Einzelgespräche. Man kann aber auch selbst zu ihm gehen. Ich bin absoluter Befürworter. Er ist ein cooler Typ, das Ganze läuft eher auf freundschaftlicher Basis. Der Austausch mit dem Trainerteam ist eng. Er hat bei uns einige Akzente gesetzt und Punkte gefunden, wo jeder noch ein Stück mehr rausholen kann. Das hilft der ganzen Gruppe.
In welchen Bereichen kann ein Sportpsychologe konkret helfen?
Das hängt vom Einzelnen ab. Wenn er gruppentaktische Themen behandelt, geht es natürlich um die Leistung auf dem Platz. Er gibt uns Sätze mit für Spiele oder Trainingseinheiten – etwa, dass wir trotz Serie nicht nachlassen dürfen, dass wir noch ein Prozent drauflegen müssen. Wir sind aktuell sechsmal ungeschlagen, und er erinnert uns daran, nicht lockerzulassen. Er vermittelt die Message, dass wir ein richtig gutes Team sind, das bereit ist, immer den Meter mehr zu machen.
Die erfolgreiche Saison von Darmstadt hängt eng mit dem Trainer zusammen. Was zeichnet Florian Kohfeldt aus?
Flo war einer der ausschlaggebenden Gründe, hierher zu kommen. Wie sich in den letzten Monaten gezeigt hat, ist er ein überragender Trainer mit einem starken Staff. Er bereitet uns perfekt auf jeden Gegner vor, aber er bringt auch das Menschliche mit. Das ist mir extrem wichtig. Er versucht, jedem Spieler individuell zu helfen, den nächsten Schritt zu machen. Er ist offen und ehrlich. Auch als ich mal nicht gespielt habe, hat er mir klar gesagt, woran es lag. Auf dem Platz hat er Siegermentalität, daneben ist er ein Top-Typ. Das zeichnet ihn aus.
Sie haben schon mit vielen Trainern zusammengearbeitet – von Steffen Baumgart bis Felix Magath. Wer hat Sie am meisten geprägt?
Von jedem nimmt man etwas mit – mal positiv, mal negativ. Das ist normal. Besonders geholfen hat mir am Anfang Manuel Baum, der mich in Augsburg aus dem NLZ in den Profibereich begleitet hat. In Berlin war Sandro Schwarz extrem wichtig für mich, als ich das erste Mal von zu Hause weg war. Aber grundsätzlich nimmt man von allen Trainern etwas mit.
Freitag steht das Top-Spiel gegen den SC Paderborn an – Dritter gegen Vierter. Was für ein Spiel erwarten Sie?
Man weiß, dass Paderborn eine Topmannschaft ist, die zurecht oben steht. Es wird ein absolutes Spitzenspiel – Freitagabend, vor Weihnachten, letzter Spieltag. Wir wollen die drei Punkte holen. Wir werden wieder top vorbereitet sein, individuell auf ihre Spieler eingestimmt. Paderborn hat viel Qualität, offensiv wie defensiv. Am Ende zählt auch, wer es mehr will. Ich denke, es wird ein richtig gutes Spiel.
Themawechsel: Als Jugendlicher waren Sie sieben Jahre beim FC Bayern. Wie hat Sie das sportlich und menschlich geprägt?
Das war eine extrem geile Zeit. Ich erinnere mich gern an die Turniere und daran, gegen wen und mit wem ich damals spielen durfte. Viele, die ich dort kennengelernt habe, sind heute Profis. Natürlich war es eine Umstellung, als es dort nicht mehr weiterging. Aber rückblickend war der Wechsel nach Augsburg eine meiner besten Entscheidungen. Die Spielzeit wurde weniger, ich musste einen neuen Weg gehen. Das hat mir gutgetan.
Zum Abschluss ein ernstes Thema: Ihrer Mannschaft hat sich an der Trikotaktion gegen Krebs beteiligt. Es geht darum, die Forschung gegen seltene Krebsarten zu unterstützen. Delani Diekmeier, die Tochter von Ex-Profi Dennis Diekmeier, leidet unter einer seltenen und schlimmen Krebserkrankung. Wie gehen Sie mit diesem Thema um, nachdem bei Ihnen im Sommer 2022 selber ein Hodentumor entdeckt und entfernt wurde?
Das nimmt einen natürlich mit. „Schuh“ (Marcel Schuhen, ehemaliger Mitspieler von Dennis Diekmeier, Anm.d.Red) war da sehr engagiert und hat uns erklärt, worum es geht. Er hat das gemeinsam mit einem Kollegen ins Leben gerufen. Im ganzen Team oder Verein wollte jeder helfen. Wir wissen, dass wir in einer Position sind, in der wir vorangehen können. Es ist eine tolle Aktion, dass so viele Vereine aus allen Ligen dabei waren. Das zeigt, dass Fußball verbindet. Ich hoffe natürlich, dass für Delani alles gut ausgeht.
Hat Ihre eigene Krankheitsgeschichte Sie damals als Mensch verändert?
Ja, klar. Mit so etwas rechnest du nie, und ich wünsche das niemandem. Es war eine schlimme Zeit, aber sie hat mir gezeigt, dass Gesundheit wirklich das Wichtigste ist – das kann man sich nicht kaufen. Ich bin froh, dass das vorbei ist. Heute sehe ich viele Dinge gelassener, ob im Fußball oder privat. Zum Glück ist das Ganze nicht mehr so oft präsent in meinen Gedanken, aber es hat meinen Blick aufs Leben verändert – im positiven Sinn.
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