Andreas Voglsammer von Hannover 96 im Interview: „Die finanzielle Kluft zu England ist riesig“
Voglsammer spricht er über das bevorstehende Spiel gegen Köln, seinen Weg zum Fußballprofi und seine Erfahrungen in England
Andreas Voglsammer ist seit Sommer 2023 für Hannover 96 aktiv, zuvor spielte er in England (© IMAGO / Jan Huebner).
Andreas Voglsammer weiß, wie man aufsteigt. Mit Arminia Bielefeld stieg der Stürmer in die Bundesliga auf, mit dem 1. FC Heidenheim in die 2. Bundesliga. Ob dem 32-Jährigen dies auch mit Hannover 96 gelingen wird? Im Interview mit Liga-Zwei.de spricht er über das bevorstehende Spiel gegen den 1. FC Köln (Samstag: 13:00 Uhr), seinen Weg zum Fußballprofi und seine Erfahrungen in England.
Herr Voglsammer, Hannover 96 schien einen perfekten Lauf zu haben, ehe die beiden Niederlagen gegen den SV Elversberg und den SV Darmstadt 98 für Ernüchterung sorgten. Wie ist nun die Gefühlslage?
Ich glaube, zur Wahrheit gehört auch, dass wir auswärts nicht so gut wie daheim in die Saison gestartet sind. Die Liga ist eng beieinander, daher standen wir kurz ganz oben. Uns war aber immer klar, dass wir vielleicht auch zu Hause mal ein Spiel verlieren würden. Nun haben wir zwei Spiele hintereinander verloren. Das hatten wir uns natürlich nicht erhofft. Aber die Liga ist so eng. Wir machen weiter und wollen am Wochenende wieder punkten.
Zwischen Platz 2 und 9 liegen gerade einmal drei Punkte. Man spricht immer gerne von der „stärksten 2. Liga aller Zeiten“. Ist es in Wahrheit vor allem die ausgeglichenste 2. Liga aller Zeiten?
Das kann man auf jeden Fall so sehen. Ich glaube, es wird jedes Jahr von der stärksten 2. Liga aller Zeiten gesprochen. Die Qualität steigt in der 2. Liga. Das Resultat ist, dass die Liga nun so ausgeglichen ist.
In der Spielzeit 2019/2020 stiegen Sie mit Arminia Bielefeld mit großem Vorsprung in die 1. Bundesliga auf. Ist so ein Durchmarsch wie damals in der aktuellen 2. Liga schwer vorstellbar?
Das weiß ich jetzt noch nicht. Darüber können wir im April und Mai noch einmal sprechen, wenn wir wissen, ob eine Mannschaft so durchgestartet ist.
Was war damals das Erfolgsgeheimnis?
Wir waren einfach unfassbar dominant. Wir gingen in jedes Spiel mit dem Gedanken, dass wir gewinnen werden. Wenn wir unsere Stärken ausspielten, haben wir das gefühlt in jedem Spiel hinbekommen. Und gegen die Top-Mannschaften wussten wir: Wenn wir nicht verlieren, kommen sie uns nicht näher. So haben wir die ganze Saison durchgezockt.
Am Samstag steht das Auswärtsspiel beim 1. FC Köln an, die seit vier Pflichtspielen in Folge ungeschlagen sind. Wie schätzen Sie die Kölner ein?
Köln ist individuell natürlich extrem gut, ein sehr starker Gegner. Aber das ist in dieser Liga fast jede Woche der Fall. Wenn wir an unser Leistungsmaximum kommen, können wir auf jeden Fall was mitnehmen.
Stefan Leitl befindet sich nun in seiner dritten Saison als Trainer von Hannover 96. Was für ein Trainertyp ist er?
Stefan ist ein entspannter und guter Trainer, der einen guten Plan hat. Er kommt mit allen Spielern richtig gut aus und findet die richtigen Worte. Wenn es einmal nicht so gut läuft, spricht er einem Mut zu. Aber ich glaube, dass Allerwichtigste ist, dass er immer von seinem Plan überzeugt ist. Wenn der Trainer von seinem Plan überzeugt ist, überträgt sich das auf die Mannschaft, sodass sie ebenfalls von dem Plan überzeugt ist. Man sieht in dieser Saison, dass wir nochmal einen Schritt nach vorne gemacht haben.
Themawechsel: Sie wurden in der Jugendabteilung des FC Bayern München ausgebildet, wechselten daraufhin zum Karlsruher SC und absolvierten ein Spiel in der 2. Bundesliga, mussten sich dann allerdings von der Bayern-Liga über die 3. Liga hocharbeiten. Wurde Ihr Talent in jungen Jahren teilweise nicht erkannt?
Naja, ich habe mit 18 Jahren das erste Spiel in der 2. Liga gemacht. Ich glaube, das können nicht allzu viele von sich behaupten. Aber ich brauchte danach schon noch ein bisschen die Entwicklungsschritte und musste mich an die verschiedenen Ligen anpassen. Aber letztendlich habe ich das alles geschafft, weil ich immer unfassbar viel an mir gearbeitet habe. Ich hatte immer das Ziel vor Augen, noch eine Liga höher zu kommen. Das zieht sich so durch meine ganze Karriere. Im Großen und Ganzen habe ich es geschafft, mich immer weiter zu verbessern.
Sie haben den Großteil Ihrer Karriere in Deutschland verbracht – mit einer Ausnahme. Die Saison 2022/23 verbrachten Sie beim englischen Zweitligisten FC Millwall. Wie blicken Sie auf diese Auslandserfahrung zurück?
Das war eine super Erfahrung – auch wenn nicht alles so lief, wie ich es mir gewünscht hatte. Dort ist einiges deutlich lockerer. Mir fehlte ein bisschen die deutsche Mentalität. Daher wollte ich nach einem Jahr wieder zurück nach Deutschland.
Wie sehr unterscheidet sich die 2. Liga in England von der 2. Liga in Deutschland?
Man kann die beiden Ligen schwer miteinander vergleichen, weil die finanzielle Kluft einfach riesig ist. In der 2. Liga von England werden Bundesliga-Gehälter gezahlt. Das ist in Deutschland nicht ganz so der Fall. Ich würde sagen, dass die 2. Liga in England physischer ist und dass die Spieler dort auch noch ein bisschen athletischer sind. Individuell sind die Top-Mannschaften dort von meinem Gefühl her auf einem höheren Niveau als die Top-Mannschaften der 2. Liga in Deutschland. Ich glaube, es gibt einige Spieler in der 2. Liga von England, die auch in der Bundesliga Fuß fassen würden. Das ist in Deutschland nicht ganz so krass. Aber dafür ist das Gefälle in England riesig.
Das heißt?
Die vermeintlich schwächeren Mannschaften aus der 2. Bundesliga schätze ich stärker ein als die schwächeren Mannschaften der 2. Liga in England. Mannschaftstaktisch ist Deutschland stärker.
Der Verein FC Millwall ist in London umgeben von vielen Top-Vereinen wie den FC Arsenal oder FC Chelsea. Welche Rolle spielt da ein Zweitligist wie Millwall in der öffentlichen Wahrnehmung?
Das kommt darauf an, in welchem Stadtteil man in London unterwegs ist. Wäre ich direkt in Millwall unterwegs gewesen, hätten mich sicherlich einige Fans erkannt. War ich im Rest von London unterwegs, hat das niemanden interessiert. Die Spieler von Chelsea oder Tottenham sind teilweise Weltstars, die sich nicht so frei in der Öffentlichkeit bewegen können. Die werden natürlich viel häufiger erkannt werden als ein Zweitligaspieler.
Der FC Millwall ist laut Wikipedia bekannt für seine „unbändigen, lautstarken und oft auch gewaltbereiten Fans“. Wie haben Sie das Umfeld damals wahrgenommen?
Lautstark sind sie auf jeden Fall. Da war immer eine gute Stimmung. Aber dass sie gewaltbereit sind, habe ich persönlich in meiner Zeit dort nicht wahrgenommen. Mir ist dort nie etwas in dieser Richtung aufgefallen. Es hat immer sehr viel Spaß gemacht, vor allem zu Hause zu spielen.
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