Chapeau, Henk Veerman
Die besondere Leistung des 23. Spieltags
Zwei Meter Körperlänge strecken sich empor, der Oberkörper verrät mächtige Ausmaße, die Arme weit ausgestreckt wie die Flügel eines Adlers. Als Henk Veerman in dieser Pose des Triumphators seinen mitreißenden Treffer zum 1:0 gemeinsam mit seinen Teamkollegen in einen Parcours der Begeisterung, der Daseinsfreude und des Hochgefühls münden ließ, fiel aus dem Munde des TV-Reporters plötzlich der Begriff „Naturgewalt“.
Henk Veerman ist also „eine Naturgewalt“, sagt der Reporter und es ist gut möglich oder gar sehr wahrscheinlich, dass Veerman ein wenig erschrecken wird. Angesichts der vielen Superlativen, die nun mit ihm verknüpft werden könnten.
Denn sein Leben und seine Wurzeln zeigen das Gegenteil von alledem, was mit Überschwang oder gar Hysterie – in jedweder Form auch immer – zu tun hat.
Es existiert ein Video auf Youtube, das Henk Veerman daheim in Volendam zeigt und diese Bilder dokumentieren das Kontrastprogramm eines spektakulären Daseins. Wer sich in diese Idylle, in diesen maritimen Charme, in diese so ruhige und geschmackvoll gestaltete persönliche Räumlichkeit hineinfallen lässt, dem kann keinesfalls entgehen, welch eine tragende Bedeutung dieses Volendam für Veerman hat. „Volendam“, sagt Veerman in diesem Filmbeitrag stolz, „ist der schönste Platz auf Erden.“
Ja, dieses Volendam ist Seeluft, Fischerei, Räucheraal, ein vertrauter Dialekt, ein Hafen voller Segelschiffe und Motorbote, ein Sandstrand zum Baden. Eingebettet in die niederländischen Metropolen Alkmaar im Norden und Amsterdam im Süden. Hat 22.000 Einwohner und ist die Heimat der Cats. Einer Popgruppe mit Weltruhm in den Siebzigern.
Henk Veerman ist aktuell der prominenteste Bürger von ihnen. Natürlich: Er hat auch eine Wohnung in Hamburg-Langenhorn. Natürlich leben auch Frau und Kind bei ihm in der Hansestadt. Doch Volendam ist schnell erreichbar, wenn Jos Luhukay, sein Landsmann und vor allem sein Chef, mal einen Tag freigibt.
Bräuchte das Städtchen am Ijsselmeer noch Werbung, wäre Henk Veerman jetzt der ideale Botschafter. Doch Volendam erfreut sich einer großen Anziehungskraft ohnehin. Rund eine viertelmillion Touristen schauen zwischen März und Oktober alljährlich in Volendam vorbei.
Was Henk Veerman zum Zeitpunkt Filmbeitrags in der Heimat noch nicht gewusst hat: Das Hamburger Volksparkstadion ist für ihn wohl nun plötzlich so etwas wie das Volendam seines Fußballspiels: Die Geburtsstätte für den Sprung in den ganz großen Fußball. Denn ja, ein Star scheint geboren. In dieser Stadt und in diesem Land des Fußballs.
Schwärmen wie bei BVB-Star Haaland: „Eine Naturgewalt“
Denn als Henk Veerman im Derby gegen den großen HSV kurz hinter der Mittellinie urplötzlich Fahrt aufnimmt, seinen niederländischen Landsmann van Drongelen abschüttelt wie eine lästige Fliege und mit seinem trockenen Schuss vorbei an den eigentlich so schwer zu bezwingenden HSV-Keeper Heuer Fernandes unwiderstehlich Weichen für diesen Triumph des FC St. Pauli in diesem Hamburger Derby stellt, sind Klassemerkmale unübersehbar.
Und aus dem Reporter des Übertragungssenders Sky platzt tatsächlich jenes Wort heraus, dass die Fußballwelt bisher ausschließlich zu hören bekommt, wenn der soeben für 20 Millionen Euro erworbene Erling Haaland als neue Stürmer-Attraktion des BVB seine mitreißenden Treffer erzielt.
Wie eine „Naturgewalt“ bezeichnet der Reporter nun auch diesen Henk Veerman aus dem beschaulichen Volendam, als der dieses 1:0 erzielt und dabei in der Tat eine zulässige Parallele des Handelns zum millionenschweren Haaland herstellt. Was der Reporter so euphorisch beschreibt, ist richtig. Denn wäre dieses Duell in Hamburg ein Kräftemessen der 1. Bundesliga gewesen, würde die Art und Weise wie Henk Veerman für den FC St. Pauli seine Treffer erzielt, von nun an eine weitaus größere Dimension an Aufmerksamkeit erzielen.
Ebenso wie Dortmunds Haaland ist Henk Veerman ein Ausbund an Energie, Dynamik und Entschlossenheit. Und genau wie Haaland steht Henk Veerman auf hochwertigem Niveau in der Strategie des Angriffsspiels für das Comeback eines Zentrums der Körperlichkeit. Die Zeiten der „falschen 9“, des Platzierens eines Angreifers des Typus Mario Götze scheint vorbei. Nicht allein beim Ligaprimus Arminia Bielefeld dank des fabelhaften Fabian Klos.
Henk Veerman erzielt seine Treffer nicht erst seit dem aktuellen Hamburger Derby in dieser Machart. Das war in Volendam und in Heerenveen, also in der niederländischen Ehrendivision schon so. Und als der lange Angreifer im Sommer 2018 ans Millerntor wechselte, weil St.Pauli in den Niederlanden „einen großartigen Ruf genießt“, wie Veerman damals berichtete, ging es eigentlich auch recht gut los: Sechs Tore und ebenso viele Assists in 16 Spielen standen in der 2. Bundesliga fürs erste zu Buche.
Eindrucksvoll zurück nach einem Jahr Zwangspause
Doch als im 17. Liga-Match im Knie das Kreuzband riss, brach die Fußballwelt des Henk Veerman am Millerntor von einem Augenblick zum anderen zusammen. Nur zwei Tage vor Weihnachten des Jahres 2018. Dieser Rückschlag brauchte den Seelenfrieden von Volendam. So massige Körper, wie ihn Henk Veerman zu Markte trägt, brauchen häufig länger als die der leichtgewichtigen Sprintertypen, um wieder wettkampfgestählt zu sein.
So kehrte Veerman erst im November 2019 zurück ins Pauli-Team. Beinahe ein Jahr lang war er weg, geriet in Vergessenheit. Medial und bei so manchen in der Fangemeinde des Millerntor-Fußballs.
Doch wie eindrucksvoll sich der Hüne aus Volendam in dieser kurzen Zeit wieder zurückgemeldet hat, verdient höchste Anerkennung. Obwohl in diesen Tagen extrem eingebunden in den rheinländischen Karneval hat auch Andreas Rettig mitbekommen, welch ein großartiger Auftritt Veerman in diesem Hamburger Spiel der Spiele gelungen ist.
„Es ist ein Jammer, dass Henk uns so lange Zeit gefehlt hat, doch jetzt nehmen wir alle nachhaltig wahr, welch einen großartigen Stürmer Paulis damaliger Sportchef Uwe Stöver ans Millerntor geholt hat. Ich freue mich für Henk und für meinen ehemaligen Klub“, bemerkt Rettig, der im Herbst selbstbestimmt aus der Geschäftsführung trat, gegenüber Liga-Zwei.de.
Wenn Veerman mit dem Ball am Fuß Tempo und dabei mit der Kraft seiner 90 Kilo das gegnerische Tor ansteuert, dann erleben die Fans des FC St. Pauli in der Tat schon häufiger diese besondere Art der Tore, ohne dass sie bisher als Naturgewalt gerühmt worden sind wie diesmal. HSV gegen Pauli vor fast 60.000 Fans hat zweifellos mehr Gewicht als jene Ereignisse, die allein den Bühnen der 2. Bundesliga zugeordnet waren. Wie das 3:1 gegen Wiesbaden, 3:0 gegen Bielefeld oder das 1:1 gegen Stuttgart. Indes: Veermans Treffer bringen obendrein stets Punkte, lebenswichtige Punkte.
Kein Zweifel: Henk Veerman ist endlich angekommen am Millerntor. In wenigen Tagen hat der Mann mit der Trikot-Nr. 25 übrigens Geburtstag. Er wird 29 Jahre alt. Das wohl wertvollste Geschenk hat er sich soeben selbst gemacht.
Eine Gefahr freilich rückt dieser Triumph ans Tageslicht: Zweimal hat St. Pauli in der Geschichte dieser Derbys den großen HSV im Volksparkstadion bisher besiegen können. Beide Male endete die Spielzeit dann aber dennoch mit einem Liga-Abstieg des Kiezklubs: Erst 2002, dann 2011.
Diesmal allerdings sind zwei Umstände anders: Beide Verluste der Spielklasse betrafen die 1. Bundesliga und Angriffspotenziale voller Naturgewalt hatte Pauli noch nie. Henk Veerman und dessen Unwiderstehlichkeit sei Dank…
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