Friedhelm Funkel im Interview: „HSV und Köln steigen auf, wenn…“

Im Interview mit Liga-Zwei.de analysiert der erfahrene Trainer den Aufstiegskampf

Autor: Oliver Jensen Veröffentlicht: Donnerstag, 01.05.25 | 08:48
© IMAGO / Uwe Kraft

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Friedhelm Funkel kennt sich im Aufstiegskampf aus. Der 71-Jährige ist als Trainer sechsmal in die Bundesliga aufgestiegen und stellte dadurch einen Rekord auf. Im Interview mit LIGA-ZWEI.de analysiert er den Aufstiegskampf.

Herr Funkel, keiner der Top-6-Mannschaften der 2. Bundesliga hat am vergangenen Wochenende gewonnen. Hängt das möglicherweise mit den Nerven zusammen?

Ja, ich glaube schon, dass bei der einen oder anderen Mannschaft die Nerven eine Rolle spielen. Das dürfte letztendlich der Grund dafür sein, warum einige Mannschaften einfach nicht mehr gewinnen. Das könnte allerdings am Wochenende schon wieder ganz anders aussehen. Insgesamt ist die aktuelle Konstellation einmalig. Ich habe zu diesem Zeitpunkt der Saison noch nie erlebt, dass die Mannschaften zwischen Tabellenplatz 4 und 7 punktgleich sind – und nur einen Punkt Rückstand auf den Tabellen-Dritten 1. FC Magdeburg haben.

Ihr Aufstiegs-Tipp war vor einigen Wochen der 1. FC Köln und der Hamburger SV. Die beiden Mannschaften belegen auch weiterhin die Aufstiegsplätze. Allerdings hat der HSV aus den letzten drei Spielen nur einen Punkt geholt. Der 1. FC Köln gewann nur eines der letzten vier Spiele. Steigen diese beiden Mannschaften trotzdem auf?

Ja, ich bleibe natürlich bei diesem Tipp. Die Mannschaften, die dahinterstehen, haben ja ebenfalls nicht gewonnen. Ich glaube, der HSV und Köln steigen auf, wenn sie aus den letzten drei Saisonspielen jeweils vier Punkte holen. Ich glaube nämlich nicht, dass eine der Mannschaften zwischen Tabellenplatz 3 und 7 alle drei Saisonspiele gewinnt. Das kann ich mir nicht vorstellen.

Nehmen wir einmal an, HSV und Köln steigen tatsächlich auf. Es gibt viele kritische Stimmen von Fans und Medien, die behaupten, diese Mannschaften würden daraufhin direkt wieder absteigen…

Es wird oft behauptet, dass Aufsteiger keine Chance haben. Aber das stimmt nicht. Die Kader der jeweiligen Mannschaften verändern sich. Aber es gab schon viele Aufsteiger, denen der sofortige Abstieg prophezeit wurde. Das war früher bei Mainz oder Augsburg genauso. Und die spielen heute noch in der Bundesliga. Beim 1. FC Heidenheim haben alle gesagt, die würden nach einer Saison sofort wieder absteigen. Und auch der FC St. Pauli dürfte in dieser Saison die Klasse halten, obwohl das viele nicht erwarten haben. Kein Aufsteiger ist chancenlos. Klar ist aber, dass auch für Köln und den HSV das Ziel nur der Klassenerhalt wäre.

Zurück zum Aufstiegskampf: Sie haben gerade angesprochen, wie eng die Tabelle ab Rang 3 ist. Haben Sie einen Favoriten für den Relegationsplatz?

Das ist ganz schwierig. Magdeburg hat momentan die Pole-Position, aber sie haben am vorletzten Spieltag ein Auswärtsspiel in Paderborn und am letzten Spieltag ein Heimspiel gegen Fortuna Düsseldorf. Das könnten die entscheidenden Spiele sein. Von der SV Elversberg spricht gefühlt niemand. Aber sie haben auswärts 22 Punkte geholt. Das ist enorm viel. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass Elversberg auf Platz 3 landet, weil eigentlich niemand damit rechnet. Viele rechnen eher mit Kaiserslautern und Düsseldorf. Die haben natürlich auch ihre Chance. Es ist schwer vorauszusehen.

Sogar der Karlsruher SC ist durch den Auswärtssieg beim Hamburger SV wieder bis auf drei Punkte an den Relegationsplatz herangerückt…

Das stimmt. Der KSC rechnet sich bestimmt Chancen aus. Aber sie müssten fünf Mannschaften überholen, um auf Platz 3 zu landen. Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber sie werden bei diesem Derby verdammt heiß sein. Ich habe das Derby letzte Saison selber mit Kaiserslautern erlebt und 0:3 verloren.

Wer könnte bei den Relegationsspielen der Gegner sein bzw. welche Mannschaft landet auf Platz 16 der Bundesliga?

Für Heidenheim ist das Spiel am Freitagabend gegen den VfL Bochum sehr wichtig. Beide Mannschaften stehen unter Druck. Gewinnt Heidenheim, ist Bochum abgestiegen. Und Heidenheim hätte sogar eine Chance, vielleicht noch an Hoffenheim heranzukommen. Hoffenheim spielt am Wochenende in Gladbach, die ja auch irgendwann wieder einmal gewinnen müssen. Und am letzten Spieltag trifft Hoffenheim auf Bayern München.

Holstein Kiel befindet sich ebenfalls noch in Schlagdistanz, tritt aber am letzten Spieltag bei Borussia Dortmund an…

Dortmund hat sich wieder gefangen. Wenn es für Dortmund am letzten Spieltag darum geht, sich für Europa zu qualifizieren, sehe ich für Kiel dort keine Chance. Auf der anderen Seite hat Dortmund vor zwei Jahren am letzten Spieltag in einem Heimspiel gegen Mainz die Meisterschaft verspielt. Aber ich glaube, so etwas passiert ihnen nicht noch einmal.

Sie haben in der vergangenen Saison den 1. FC Kaiserslautern in einer schwierigen Situation übernommen und zum Klassenerhalt verholfen. Ihr Nachfolger Markus Anfang führte den 1. FCK in dieser Saison in die erste Tabellenhälfte. Am 27. Spieltag standen sie sogar auf Tabellenplatz 3. Dann allerdings gab es drei Niederlagen und die Entlassung von Anfang. Ist das nachvollziehbar?

Das ist schwer zu bewerten, ohne genauere Erkenntnisse zu haben. Thomas Hengen (Geschäftsführer von Kaiserslautern) hat ein Gespür für Entscheidungen kurz vor Ende einer Saison. Vor zwei Jahren, als Kaiserslautern in die 2. Bundesliga aufgestiegen ist, wurde nach dem letzten Spiel und direkt vor der Relegation der Trainer gewechselt. Damals übernahm Dirk Schuster die Mannschaft. Diese Entscheidung wurde von Erfolg gekrönt, denn sie sind aufgestiegen.

Und jetzt?

Offenbar hatte Thomas Hengen nun das Gefühl, dass man mit Markus nicht weiter vorne mitspielen würde – aus welchen Gründen auch immer. Mit Torsten Lieberknecht haben sie einen Trainer geholt, der viel Erfahrung mitbringt und mit Braunschweig und Darmstadt bereits aufgestiegen ist. Zudem hat Schuster früher für Kaiserslautern gespielt und ist in der Pfalz sehr beliebt. Vielleicht erreichen sie den Relegationsplatz. Dann hätte er wieder alles richtig gemacht.

Abschließend noch eine Frage zum DFB-Pokal: Sie standen vergangene Saison mit dem Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern im Finale und verloren nur mit 0:1. Nun steht mit Arminia Bielefeld ein Drittligist im Finale. Trauen Sie denen gegen den VfB Stuttgart die Sensation zu?

Der Sieg im Halbfinale gegen Bayer Leverkusen war verdient. Sie waren die bessere Mannschaft. Und vor allem blieben sie danach auch in der 3. Liga stabil. Sie haben die Euphorie mit in die nächsten Spiele genommen. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass sie auch im Finale gegen Stuttgart überraschen und gewinnen. Der VfB Stuttgart ist natürlich der Favorit. Aber ich erwarte ein interessantes Spiel.