Union Berlin: Interview mit Christopher Trimmel

Mittlerweile überwiegt der Stolz

Autor: Christian Slotta Veröffentlicht: Samstag, 20.05.2017 | 09:51
Christopher Trimmel von Union Berlin

Trotz verpasstem Aufstieg – für Christopher Trimmel überwiegt der Stolz. ©Imago/Contrast

Der vierte Platz ist für den 1. FC Union Berlin zementiert. Der Saisonabschluss bei der SpVgg Greuther Fürth (Sonntag, 15:30 Uhr) hat tabellarisch keine Bedeutung mehr. Christopher Trimmel verrät im exklusiven Liga-Zwei.de Interview, warum er trotzdem unbedingt gewinnen möchte. Der 30-jährige Österreicher spricht zudem über seinen ungewöhnlichen Weg in den Profifußball und die schwierige Situation der österreichischen Nationalmannschaft.

Herr Trimmel, wie schwierig ist es, sich für das letzte Saisonspiel zu motivieren, wenn der Tabellenplatz sich ohnehin nicht ändert?
Christopher Trimmel: „Wir wollen unseren Fans, die in großer Anzahl Tickets gekauft haben und mitreisen, einen Sieg schenken. Überhaupt wäre es ein schönes Gefühl, mit einem Sieg in den Urlaub zu gehen. Unsere Mannschaft hat die Mentalität, jedes Saisonspiel gewinnen zu wollen.“

Seit dem 0:1 am Sonntag gegen den 1. FC Heidenheim ist der Traum vom Aufstieg Geschichte. Präsident Dirk Zingler ordnete die Gefühlslage zwischen Stolz und Schmerz ein. Welches Gefühl überwiegt bei Ihnen?
Trimmel: „Mittlerweile überwiegt der Stolz. Vor der Saison hätte niemand geglaubt, dass wir mit dem neuen Trainerteam so schnell eine Spielidee reinkriegen. Wir haben praktisch die gesamte Saison über guten Fußball gespielt. Aber natürlich ist die Enttäuschung darüber, die Chance auf den Aufstieg vergeben zu haben, noch nicht ganz weg.“

„ In Stuttgart waren wir von der Atmosphäre beeindruckt ”
über das Spiel gegen den VfB

Weil Eintracht Braunschweig gegen Arminia Bielefeld mit 0:6 verlor, hätte ein Sieg gegen den 1. FC Heidenheim ihre Mannschaft noch einmal in Schlagdistanz zum Relegationsplatz gebracht. War Ihnen das während des Spiels bewusst?
Trimmel: „Nein, davon habe ich nichts mitbekommen. Wir haben auch so alles versucht. Leider war das nicht unser Tag.“

War der Ausfall von fünf Stammspielern der Grund dafür?
Trimmel: „Natürlich spielt so etwas immer eine Rolle. Wir hatten viele Umstellungen. Die komplette Abwehr war neu. Trotzdem hätten wir das Spiel nicht verlieren dürfen.“

Sie haben in der Rückrunde die Spiele gegen die direkten Konkurrenten VfB Stuttgart, Hannover 96 und Eintracht Braunschweig allesamt verloren. Fehlte Union im Vergleich mit diesen Mannschaften die Qualität oder die Abgezocktheit?
Trimmel: „In Hannover haben wir gut begonnen und hätten eigentlich in Führung gehen müssen. Das Spiel gegen Braunschweig war mit dem frühen Gegentreffer und dem Platzverweis sehr unglücklich. Und in Stuttgart waren wir von der Atmosphäre etwas beeindruckt. Zudem war uns bewusst, dass der VfB viel Qualität in der Mannschaft hat. Die waren klar besser. Dass wir in der Rückrunde gegen diese Mannschaften keinen Punkt geholt haben, tut natürlich sehr weh.

Christopher Trimmel von Union Berlin

Wieder aufstehen. Christopher Trimmel (r.) will mit Union nächstes Jahr einen neuen Anlauf Richtung Spitze nehmen. ©Imago

Letzte Saison landete der FC St. Pauli auf dem vierten Tabellenplatz. Danach verlor die Mannschaft einige Leistungsträger und landete im Abstiegskampf. Droht Union das gleiche Schicksal?
Trimmel: „Das weiß ich nicht, weil ich in die Kaderplanung nicht involviert bin. Aber ich denke, dass der Kader so ausgerichtet wird, dass wir auch kommende Saison wieder vorne mitspielen. Das Gerüst der Mannschaft wird sich vermutlich nicht groß verändern.“

„ Wollte einfach während des Studiums Geld verdienen ”
über das Angebot von Rapid Wien II

Man könnte es auch positiv sehen: Mit dem VfB Stuttgart und Hannover 96 verschwinden wohl zwei Schwergewichte in die Bundesliga. In SV Darmstadt 98 und dem FC Ingolstadt kommen eher kleine Vereine runter in die 2. Liga. Sollten nicht der VfL Wolfsburg oder der Hamburger SV über die Relegation hinzukommen, wäre das eine ausgeglichene Liga. Steigen dann die Chancen auf den Aufstieg?
Trimmel: „Schwer zu sagen. Ich kenne Ingolstadt und Darmstadt noch aus der 2. Bundesliga. Das waren sehr starke Gegner. Daher werde ich diese Vereine nicht unterschätzen. Ohnehin ist die 2. Liga sehr ausgeglichen. Es gibt immer viele Überraschungen – sowohl oben wie auch unten.“

Lassen Sie uns ein wenig über Ihre Karriere sprechen: Sie sind erst mit 21 Jahren zu den Amateuren von Rapid Wien gewechselt. Warum hat es vorher nicht gekappt?
Trimmel: „Ich hatte bereits als junger Spieler Angebote von diversen Akademien. Aber mir war es damals wichtiger, meine Ausbildung zum Bautechniker zu absolvieren. Fußball war lediglich ein Hobby. Als ich dann zum Studieren nach Wien ging, wollte ich einfach während des Studiums etwas Geld verdienen. Das Angebot von Rapid II bot mir die Möglichkeit dazu.“

Sie wurden dann innerhalb eines Jahres zu den Profis befördert…
Trimmel: „Damit hätte ich selber nie gerechnet. Ich war nie davon überzeugt, dass ich Fußballprofi werden könnte.“

Wo ist das spielerische Niveau höher: In der österreichischen Bundesliga oder in der 2. Liga von Deutschland?
Trimmel: „Das lässt sich schwer vergleichen. Die Liga in Österreich besteht aus lediglich zehn Mannschaften. Die ersten drei oder vier Mannschaften haben internationale Klasse. Wenn man sich die Ergebnisse in der Europa League anschaut, würde ich sagen, dass diese Teams sogar in der deutschen Bundesliga bestehen könnten. Allerdings ist das Leistungsgefälle in Österreich sehr groß. Die Mannschaften dahinter hätten auch in der 2. Bundesliga große Probleme.“

„ Das Stadion, die Stadt, die Fußball-Begeisterung – hier hat alles gepasst. ”
über den Wechsel zu Union

Welcher Stellenwert hat der Fußball überhaupt in Österreich?
Trimmel: „Das ist von Verein zu Verein sehr unterschiedlich. Bei Rapid Wien war das Interesse am Fußball ähnlich groß wie hier bei Union Berlin. Rapid wird zu Hause und auswärts von vielen Fans unterstützt. Das Verhältnis zwischen Fans und Verein war sehr eng – ähnlich wie hier bei Union. Allerdings gibt es in Österreich auch einige Bundesligisten, zu deren Heimspielen gerade einmal 4.000 Zuschauer kommen. Das kann man sich in Deutschland gar nicht vorstellen.“

Sie haben mit Rapid Wien in der Europa League gespielt. Warum haben Sie im Jahre 2014 den Schritt in die 2. Bundesliga zu Union Berlin gemacht?
Trimmel: „Meine Frau und ich hatten einfach große Lust, ins Ausland zu gehen. Das Gesamtpaket war einfach verlockend. Das Stadion, die Stadt, die Fußball-Begeisterung – hier hat alles gepasst. Auch wenn ich mich bei Rapid Wien sicherlich eher für die Nationalmannschaft hätte empfehlen können. Schließlich habe ich dort um die Meisterschaft und in der Europa League gespielt.“

Immerhin haben Sie drei Länderspiele für Österreich gemacht. Wie beurteilen Sie momentan die Entwicklung der österreichischen Nationalmannschaft?
Trimmel: „Vor der Europameisterschaft schien die Nationalmannschaft in einer riesigen Verfassung zu sein. Ich bin ein großer Fan der Mannschaft und habe mir in Frankreich die Spiele vor Ort angeschaut. Vielleicht war die Erwartungshaltung einfach zu groß. Wir haben keine Turniererfahrung wie andere Nationen. Zudem haben wir viele Spieler, die bei ihren Vereinen nicht ausreichend spielen. Trotzdem glaube ich an die Qualität der Mannschaft. Ich hoffe, dass sie die Qualifikation für die Weltmeisterschaft noch schaffen.“

Vielen Dank für das Interview, Herr Trimmel!

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