Werder Bremen: Interview mit Marco Grote

"Die Relegationsspiele können nur einen Sieger haben"

Autor: Andreas Breitenberger Veröffentlicht: Mittwoch, 01.07.2020 | 12:00
Marco Grote bei Werder Bremen

Ex-U19-Coach Marco Grote kennt Werder in- und auswendig. ©Imago images/foto2press

Werder Bremen muss sich dem 1. FC Heidenheim in der Relegation stellen. Einer, der den Bundesligisten nach 13 Jahren Innenansicht wie kein anderer kennt, ist Marco Grote. Der 47-Jährige trainierte bis vor kurzem die U19, im Sommer verlässt er den SVW.

Liga-Zwei.de sprach mit dem Fußballlehrer über seine Prognosen für die Entscheidungsspiele, ehemalige Schützlinge, die sich nun in der Relegation gegenüberstehen, und seine eigene Zukunft im Profi-Fußball.

Herr Grote, Sie sind gebürtiger Bremer, trainierten zuletzt die U19 des SV Werder und sind generell sehr eng mit dem Verein verbunden – wie sehr haben Sie zuletzt mit dem SVW im Abstiegskampf gezittert?
Marco Grote: „Ich war mir die ganze Zeit über sicher, dass noch ein Türchen offen ist. Der Sieg gegen Köln kam für mich nicht überraschend, genauso wenig wie die Tatsache, dass Düsseldorf in Berlin Schwierigkeiten hatte.

Ich drücke meinem Heimatklub so oder so immer die Daumen, aber nicht nur deswegen war ich nicht so hoffnungslos wie vielleicht viele andere Menschen. Köln war bereits durch und Union hatte seinen „freien“ Tag bereits eine Woche zuvor. Ich bin zuversichtlich, dass die Relegationsspiele nur einen Sieger haben können.“

Wie nehmen Sie die Stimmung aktuell in Bremen wahr?
Grote: „Das ist eine Bremer Besonderheit, manchmal ist das gut, manchmal auch nicht. Es ist eigentlich völlig egal, was innerhalb des Vereins passiert, die Bremer sind bis zum Letzten bei dem Verein. Wenn zuletzt Zuschauer da gewesen wären, hätte mit Sicherheit keiner geschimpft.

Was ich so mitbekommen habe, ist, dass sich im Viertel rund um das Stadion oder sonst wo alle Bremer Anhänger beim Erreichen der Relegation ohne Ende gefreut haben – natürlich der aktuellen Lage angemessen. Die Unterstützung ist jedenfalls hier immer bis zum Schluss da.“

Vorteile für Werder
„ Die Qualitätsunterschiede sind sehr groß ”
Marco Grote

Sie meinten bereits: „Es kann nur einen Sieger geben.“ Welche Stärken aber nehmen Sie denn im Norden vom Gegner, dem 1. FC Heidenheim wahr?
Grote: „Das eine oder andere Spiel von Heidenheim habe ich verfolgt. Ihre Kompaktheit mit einer stabilen Defensive und nur 36 Gegentoren ist offensichtlich. Weiter ins Detail zu gehen, ist allerdings schwierig und wird der Sache nicht gerecht.

Dennoch ist es bemerkenswert, wie kontinuierlich sich dieser Verein nach oben gearbeitet hat und völlig zurecht an die Tür zur Bundesliga klopft. Ich glaube, am Ende wird aber nicht mehr als ein Klopfen möglich sein.

Das hat nichts mit Heidenheim zu tun. Für jeden Drittplatzierten der 2. Bundesliga ist es extrem schwer, dem Bundesligisten, gerade Werder Bremen, Paroli zu bieten. Die Qualitäts-Unterschiede sind meines Erachtens sehr, sehr groß. Was haben wir im Vergleich zu Heidenheim in den letzten Jahren investiert. Man könnte fast von einem David-gegen-Goliath-Duell sprechen.“

Nur, dass diesmal der Goliath gewinnt?
Grote: „Werder Bremen hat natürlich auch Schwächen, was seit einiger Zeit leider häufig deutlich wurde. Dazu werden sich die Heidenheimer sicherlich was einfallen lassen. Das aber in 180 Minuten konstant so abzurufen, dass man den Goliath tatsächlich ins Wanken bringen kann, halte ich für eine extrem schwere Aufgabe.“

Heidenheims Marnon Busch
„ Einer der schnellsten Spieler, die wir im NLZ hatten ”
Marco Grote

Beim FCH beackert Marnon Busch die rechte Abwehrseite, er stammt aus dem Nachwuchsleistungszentrum des SVW. Haben Sie ihn damals zu Ihrer Zeit wahrgenommen?
Grote: „Ja, er war sogar ein Stück weit bei mir in der U16, auch wenn er als Jungjahrgang schon regelmäßig in der U17 dabei war. Damals wurde er größtenteils vom damaligen U17-Trainer Viktor Skripnik zum Rechtsverteidiger umgeschult. Er war ein guter, ehrgeiziger Junge und sicherlich einer der schnellsten Spieler, die wir im Leistungszentrum hatten.

Damals agierte er im Halbfinale um die U17-Meisterschaft gegen den VfB Stuttgart auf dem Feld gegen Serge Gnabry. Und ich kann mich noch erinnern: Ein schönes Duell. Das zeigte auch schon die Qualitäten, die er mitbringen kann.“

Johannes Eggestein (l.) von Werder gegen Jerome Roussillon vom VfL Wolfsburg

Johannes Eggestein (l.) reifte in der U17 unter Marco Grote. ©Imago images/Christian Schroedter

Wie verfolgen Sie die Werdegänge Ihrer Ex-Schützlinge?
Grote: „Am Beispiel Marnon Busch ist zu sehen: Er musste ein paar Umwege gehen, aber hat seine Möglichkeiten im Fußball gefunden. So gibt es eben viele unterschiedliche Wege. Auch Oliver Hüsing, der jetzt auch in Heidenheim kickt, war damals in der Werder-Jugend bei mir. Ein sehr klarer, intelligenter Junge, der seinen Weg gegangen ist und jetzt an der Schwelle zur Bundesliga steht. Für jeden dieser Wege habe ich eine Menge Respekt.“

Werders Johannes Eggestein
„ Unglaubliche Qualitäten im Sechzehner ”
Marco Grote

Sie bildeten bei Werder auch Spieler wie Johannes Eggestein oder Nick Woltemade aus – welche Rolle trauen sie ihnen bei Werder zu?
Grote: „Bei Johannes Eggestein hat man schon in der U17 gesehen, dass er unglaubliche Qualitäten im Sechzehner, ein gutes Gespür für torgefährliche Situationen, sehr gute Bewegungen und einen super beidfüßigen Abschluss hat. Das zunächst mal ändert sich auch nicht, egal ob in der U17 oder im Herren-Bereich, auch wenn natürlich noch andere Aspekte fehlten.

Außerdem konnte ich mit ihm unglaublich viel über Fußball sprechen. Er wollte alles Wissen aufnehmen, brachte aber immer eine eigene Meinung mit. Ich bin überzeugt, dass er auf Dauer ein konstant guter Bundesliga-Spieler werden kann.

Bei Nick Woltemade zeigt es sich wieder: Umso klarer die Spieler im Kopf sind, sich also hinterfragen, reflektieren, Lernbereitschaft mitbringen, umso mehr Möglichkeiten haben sie. Nick Woltemade hat klare Vorstellungen vom Spiel, wo er auf dem Spielfeld hingehört. Er ist clever, selbstbewusst und wissend, was er kann, was er will und wie er es erreicht.

Ich halte ihn für einen herausragenden Fußballer im ersten Kontakt, im 1:1 und im Tempowechsel, zudem ist er enorm torgefährlich. Seine Länge täuscht ein bisschen über seine Qualitäten am Ball hinweg. Da steckt viel drin. Und er ist noch jüngerer A-Jugend-Spieler, das wird oft vergessen.

Ohne Frage würde ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, wenn ich behaupte, dass Woltemade sehr gute Möglichkeiten hat, im Fußball weit zu kommen.“

Mit der Bremer U17 stießen sie einst ins Finale der Bundesliga vor, mit der U19 stehen sie aktuell an der Tabellenspitze. Warum geht es für Sie trotz der Erfolge in der Heranführung junger Spieler bei Werder nicht weiter?
Grote: „Das weiß ich auch nicht so genau. Gerade habe ich meine Sachen bei Werder abgegeben – das war kein schönes Gefühl. Ich bin Bremer, war sehr lange dort, habe sehr gerne dort gearbeitet. Andererseits liegt es auf der Hand, dass nach über 13 Jahren auch Ideen kommen können, etwas anders zu machen. Das ist völlig legitim. Ich hätte mir jedoch den Entscheidungshergang etwas anders gewünscht.“

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Streben Sie ein Engagement im Profi-Fußball abseits des Nachwuchsbereiches an?
Grote: „Der logische Schritt wäre der in den Herren-Fußball. Da möchte ich mich aber nicht komplett festlegen. Es kommt auf den Moment, den Inhalt, die Überzeugung, das Miteinander an. Ich würde im Prinzip nichts ausschließen. Nach der langen Zeit bei einem Verein ist es jetzt vielleicht sogar gut, etwas Neues zu machen.

In den letzten zwei, drei Jahren gab es bereits vereinzelt andere Optionen. Ich benötige die volle Überzeugung für eine neue Aufgabe und will nicht nur möglichst schnell die Karriereleiter erklimmen. Ich definiere mich immer noch gerne über die Arbeit an sich.“

Der eigene Spiel-Stil
„ Fußballerischer Kombinations-Ansatz, unabhängig von Systemen ”
Marco Grote

Für die Leser, die Ihre Arbeit bei Werder nicht so verfolgt haben. Wie sieht Ihre Arbeitsweise aus, was für einen Fußball wollen Sie spielen lassen?
Grote: „Es kommt natürlich auch immer darauf an, wo ich bin und welche Möglichkeiten ich habe. Ich kann nichts erzwingen. So gesehen muss man immer mehrere Pläne haben, im Spiel aber auch in der Arbeitsweise, je nachdem mit welchen Typen man es zu tun hat. Ich passe aber vermutlich auch nicht zu jeder Philosophie.

Ich verfolge einen „fußballerischen Kombinations-Ansatz“, unabhängig von Systemen. Viele Begriffe werden von vielen Kollegen verwendet. Dennoch gibt es sicher immer spezifische Unterschiede in ihrer Interpretation. Ordnungen ergeben sich für mich aus der Art und Weise des Spiels, individuelle und zusammenhängende Verhaltensweisen sind wichtig, technisch-taktische Details.

Grob möchte ich aktiv sein und entscheiden. Dazu brauche ich den Ball, möglichst häufig. Alleine mit dem Besitz kann ich aber auch nichts anfangen.

Grundsätzlich beinhaltet das Offensive Mut und Tempo, aber es braucht auch klare Spielstrukturen und Aufgaben. Das möchte ich gerne auf die Spieler übertragen und mit ihnen entwickeln, ich brauche dazu eine gesunde Nähe zu ihnen, sie müssen zusammen immer aufmerksam sein und brauchen eine gemeinsame Überzeugung in ihr Handeln, es ist und bleibt Teamsport.

Letztendlich gilt es schnellstmöglich die Umsetzung dieser Zusammenarbeit zu schaffen, um über diesen Weg, gepaart mit der nötigen Mentalität, von Anfang an die Spiele zu gewinnen.

Aus der Erfahrung und anhand der verschiedenen Kompetenzen glaube ich behaupten zu können klar, ehrlich und direkt zu sein. Jeder weiß, was er an mir hat und woran er bei mir ist. Ich stehe für Freude am und auch Freiheit im Spiel, aber auch für harte Arbeit und Teamfähigkeit.“

Sie sagten, dass sie die volle Überzeugung benötigen. Was müsste demnach ein Verein mitbringen?
Grote: „Ich komme zuletzt aus dem Nachwuchs, die aktuelle Zeit schreit geradezu nach Arbeit mit jungen, entwicklungsfähigen Spielern. Für die eine oder andere externe Verpflichtung wird das nötige Kleingeld fehlen. Das schließt jedoch ältere Spieler nicht aus.

Ich denke, ich habe mehrfach nachgewiesen, etwas zusammenführen und entwickeln sowie auch Spieler mitnehmen zu können. Das direkte und indirekte Team drum herum wird wichtig sein, die grundsätzliche Ausrichtung des Vereins, ein längerfristiges Vorhaben, mit dem ich mich identifizieren kann und das zu mir, meiner Art und auch zum Fußball passt, der dennoch auch ein Stück weit flexibel sein muss. Ich möchte ein Teil des Ganzen sein und das auch merken.“

Herr Grote, vielen Dank für das Gespräch!

 

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