Chapeau, Marco Grote
Die besondere Leistung des 6. Spieltags
Als der VfL Osnabrück im Juli seinen neuen Trainer vorgestellt hat, ist mit dem Namen Marco Grote noch so manches Rätsel verknüpft worden. Denn mit dem Aufbruch von Daniel Thioune zum großen Hamburger SV sind an der Bremer Brücke, der Quelle des Fußballs dort, zunächst durchaus Verlustängste aufgekommen.
Daniel Thioune steht wie kein Zweiter für die aktuelle sportliche Wiedergeburt des VfL Osnabrück. Denn vor anderthalb Jahren waren sie gemeinsam zunächst souverän der wirtschaftlich zermürbenden 3. Liga entflohen. Danach hat Thioune vom Regiepult aus für einen weitgehend stressfreien Erhalt der 2. Bundesliga gesorgt und so gleichzeitig im Sommer dieses Jahres einen zweiten dicken Meilenstein des Aufbruchs aufgestellt.
Alles dies sind Referenzen, mit denen Grote am Tage seiner Vorstellung als Trainer des VfL nicht aufwarten konnte. Seine Biografie bestand allein aus großen Erfahrungen als Ausbildungstrainer. Gewiss hat er in zwölf Jahren bei Werder Bremen den einen oder anderen seiner Azubis in den Profifußball gesteuert. Und mit den U17-Junioren 2017 bis ins Endspiel um Deutsche Meisterschaft gestürmt zu sein, gilt durchaus als kleines Meisterstück des Trainers. Zwei seiner damaligen Hochbegabten sind jetzt in Osnabrück aufs Neue seine Schützlinge: Niklas Schmidt und Luc Ihorst.
Ein Start zwischen vielen Fragezeichen und einem großen Fußstapfen
Doch reicht das für die 2. Bundesliga? Für die Nachfolge von Thioune? Und für die neuen Ansprüche des VfL Osnabrück?
Benjamin Schmedes hatte Grote für die Thioune-Nachfolge vorgeschlagen. Im Sportdirektor des VfL steckt ebenfalls eine intensive Vergangenheit im Ausbildungs-Fußball. Und so sammelte auch Schmedes große Erfahrungen mit dem Spagat zwischen Visionen und Realitäten: Erst bei Werder, dann beim HSV. Ähnlich wie Grote. Indes in umgekehrter Richtung.
Die Antworten, die Grote schon bei diesen ersten Berührungen mit dem Osnabrücker Fußball parat hatte, wurden schon damals mit Selbstbewusstsein, Mut und einer überzeugenden Präsenz ausgesendet und ausgestrahlt.
„Mir ist klar, dass ich einige Fragezeichen mitbringe und Daniel Thioune große Fußstapfen hinterlassen hat. Ich werde nichts verändern, was außerordentlich gut ist. Doch ich werde niemanden kopieren. Will gestalten, kreativ sein, ein Kombinationsspiel erarbeiten, eine eigene Note reinbringen und so vielleicht neue Fußstapfen entstehen lassen“, erklärte Grote damals in dieser Welcome-Konferenz des VfL Osnabrück.
Die verbale Herangehensweise von Marco Grote trug kluge Manöver. Sich die Freiheit zu nehmen, denkbare Vorbehalte in der ersten Osnabrücker Medienrunde selbst sogleich beim Namen zu nennen, ließ skeptisches Medienecho schnell erlahmen.
Damals hat Grote noch allein glaubwürdig argumentieren können. Mehr war noch nicht möglich.
Doch jetzt hat er auf dem Weg zur Rundum-Akzeptanz einen weiteren großen Schritt nach vorn gemacht. Grote hat geliefert. Seine Absichten erfolgreich auf die Spielfelder platziert.
Die ersten drei Monate der Zusammenarbeit sowie sechs Spiele, zwei Siege und vier Remis in der 2. Bundesliga später, existiert in Osnabrück ein Zwischenzeugnis mit vielen Bestnoten für Marco Grote. Der VfL ist aktuell Tabellenvierter, er besiegte Hannover 96 und aktuell den SV Sandhausen. Er spielte remis in Fürth, in Bochum, in Heidenheim sowie gegen Darmstadt. Auch im DFB-Pokal ist Osnabrück noch am Start.
Nach einem kraftvollen „Moin“ kann es auch mal laut werden
Starke Resultate auf dem Spielfeld sind allemal gut für eine stabile Reputation des neuen Trainers. Die Stimmen der Zweifler sind verstummt. Die Anspannung der Osnabrücker Personal-Entscheider ist beruhigt und die Fußball-Anhänger an der Bremer Brücke haben den Neuen nun in ihr Herz geschlossen.
Den Sprung vom Ausbildungsfußball hinein in die 2. Bundesliga erfolgreich zu bewältigen, ist niemals der Auftriebskraft eines Trampolins verdanken. Womit Marco Grote zu punkten vermag, ist eine rekonstruierbare Maßarbeit. Es braucht Erfahrung, es braucht Persönlichkeit, es braucht fußballerisches Knowhow sowie eine große Bereitschaft zur Kommunikation in alle Richtungen.
Der gebürtige Bremer beginnt den Arbeitstag im Trainingsgelände mit einem kraftvollen „Moin“, dem traditionellen Gruß norddeutschen Treibens. Den Spielern signalisiert er, dass er für sie da ist. Wenn irgendwo der Schuh drückt, hört er achtsam zu. Wenn dem einen oder anderen der Kamm schwillt und Nachlässigkeiten erkennbar sind, geht er konsequent dazwischen. Wenn es sein muss mit Lautstärke.
Seine Mitarbeiter im Trainerteam treffen auf einen Chef, der andere Meinungen für die Diskussionen einfordert und sich am Ende stets hochmotiviert zeigt, die finalen Entscheidungen als Ergebnisse einer gelungenen Teamarbeit in die Mannschaft zu transportieren.
Statt auf einen Laptop verlässt er sich lieber auf das was er selber sieht
Grote stammt zwar auch der Generation der Nachwuchs-Leistungszentren, doch er verkörpert keineswegs einen weiteren Vertreter der sogenannten Laptop-Trainer.
Er zählt sich mit 48 Jahren lieber zu den begeisternden Begleitern des Livefußballs. Heißt: Er mag es so wie die Kollegen alter Schule. Er verlässt sich lieber auf das, was er selber sieht, spürt, hört und wahrnimmt. Die Technik ist für ihn ein sinnvolles Hilfsmittel, doch mehr eben nicht.
Hierbei erkennen seine Spieler in vielen Details, dass Grote selbst einmal eine Zeitlang im Vorzimmer zur Bundesliga mit den Hufen scharrte und gern einmal hineinwollte in den großen Fußball. Dies passierte beim HSV, wo Thomas Doll sein wichtigster Ausbilder war und Frank Pagelsdorf als Cheftrainer eine Idee mit ihm zu entwickeln schien.
Als Grote bei Werder Bremen hinnehmen musste, wie er von seinem früheren Assistenten Florian Kohfeldt – mit Verlaub – rechts überholt wurde und wie mehrmals sein Wunsch ignoriert wurde, mit Werders U23 die Regionalliga als Aktionsfeld zu erleben, büßte die Zusammenarbeit zwischen Trainer und Verein zunehmend Freude an Perspektive sowie Inspiration durch Vertrauen ein.
Geduldig und selbstbestimmt perfektes Karriere-Timing erzielt
So hat sich Marco Grote irgendwann in der ersten Hälfte dieses Jahres entschieden, vom SV Werder loszulassen und selbstbestimmt von Bord zu gehen. Ohne zu wissen, wohin die Reise gehen könnte und überhaupt noch nicht berücksichtigend, dass Daniel Thioune bereits ein Hoffnungsträger des HSV werden und so der Job in Osnabrück frei werden könnte.
Um ein solch perfektes Karriere-Timing herauszufordern braucht es großes Selbstvertrauen, viel Geduld und wohl auch ein Quäntchen Lebensglück. Marco Grote hat von alledem offenbar genügend Potenziale mitgebracht zum VfL und so reicht er sie nun Stück für Stück an die Spieler weiter.
Mit erstaunlichen Entwicklungen in diesen Osnabrücker Fußball-Tagen, in denen die Fragezeichen hinter dem neuen Trainer nunmehr nahezu unsichtbar erscheinen.
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