HSV Teamcheck

Analyse & Prognose zur neuen Saison

Autor: Johannes Ketterl Veröffentlicht: Montag, 24.07.23 | 16:02

Ludovit Reis, Ransford-Yeboah Königsdörffer und Robert Glatzel wollen auch 2023/24 im HSV-Trikot jubeln. © picture alliance / Selim Sudheimer

Als der Hamburger SV im Mai 2018 seinen langjährigen Status als letzter Bundesliga-Dino verloren hat, dürften selbst die größten Skeptiker in der Hansestadt sechs Jahre am Stück in der Zweitklassigkeit nicht für möglich gehalten haben. Doch tatsächlich nimmt der HSV nach fünf mit drei vierten Plätzen und zuletzt zwei Relegationsniederlagen stets knapp verpassten Versuchen, ins Oberhaus zurückzukehren, nun bereits den sechsten Anlauf in Richtung Wiederaufstieg.

Dass der Aufstieg nun erneut das klare und zugleich einzig vermittelbare Ziel ist, steht außer Frage. In unserem Teamcheck beleuchten wir den HSV im Folgenden genauer und natürlich auch die Aufstiegschancen eines der größten Traditionsklubs, die der deutsche Fußball nach wie vor zu bieten hat.

Kommen & Gehen

Sonny Kittel (Rakow Czestochowa), den der HSV freilich bewusst hat ziehen lassen, ist der einzige Akteur aus dem Kreis der Stammelf, der in der neuen Saison nicht mehr dabei ist. Filip Bilbija (SC Paderborn) ist nach nur einem Jahr ohne Startelfeinsatz derweil schon wieder Geschichte, während auch das millionenschwere Missverständnis Xavier Amaechi (1. FC Magdeburg) endgültig zu den Akten gelegt wurde.

Die zuletzt schon verliehenen Maximilian Rohr (SC Paderborn) und Robin Meißner (Dynamo Dresden, war an Viktoria Köln verliehen) kehren unterdessen nicht nach Hamburg zurück. Neu auf der Liste der Leihspieler sind Leo Oppermann (Arminia Bielefeld) und Daouda Beleme (FC Ingolstadt), die sich in der 3. Liga beweisen sollen. Auf eine Weiterverpflichtung des im Frühjahr von Besiktas Istanbul ausgeliehenen Javi Montero hat der HSV verzichtet, wohingegen bei Noah Katterbach (1. FC Köln) das letzte Wort noch nicht gesprochen scheint. Weil der Linksverteidiger verletzungsbedingt noch längere Zeit ausfällt, besteht in dieser Personalie aber keine Eile.

Zurück von Leihgeschäften, allerdings mit eher überschaubaren Perspektiven sind Marko Johansson (VfL Bochum) und Stephan Ambrosius (Karlsruher SC). Beide gelten wie die 19-jährigen Eigengewächse Nicolas Oliveira und Tom Sanne als Ergänzungsspieler, könnten aber auch noch gehen.

Von den fünf übrigen Neuzugänge erhofft man sich in Hamburg dagegen einen Qualitätszuwachs. Guilherme Ramos (Arminia Bielefeld) und Dennis Hadzikadunic (FK Rostov, ausgeliehen) sollen die Innenverteidigung stabilisieren, Ignace Van der Brempt (Red Bull Salzburg, ausgeliehen) zur festen Größe auf der rechten Abwehrseite werden. Immanuel Pherai (Eintracht Braunschweig) und Levin Öztunali (1. FC Union Berlin) erweitern die Möglichkeiten auf den beiden Achter-Positionen, letzterer ist zudem auch eine Option für die offensiven Außenbahnen.

So lief die Vorbereitung

Auch wegen der bedingt durch die Relegation kurzen Sommerpause und einer dementsprechend auch eher kompakten Vorbereitung hat der HSV auf mehrere Freundschaftsspiele gegen weit unterklassige Klubs verzichtet. Los ging es aber mit einem (mühsamen) 3:2-Sieg beim niedersächsischen Landesligisten FC Verden 04, dem dann aber während des Trainingslagers in Österreich direkt das Kräftemessen mit Viktoria Pilsen (3:3) und ein weiterer hochkarätiger Test gegen Red Bull Salzburg (1:4) folgten.

Am vergangenen Wochenende unterlag der HSV dann bei der Generalprobe bei den Glasgow Rangers mit 1:2 und kassierte somit in vier Vorbereitungsspiele elf Gegentreffer. Die größte Schwäche der Vorsaison scheint somit weiter präsent, was freilich auch an vielen verletzungsbedingten Ausfällen liegt, die auch zum Saisonstart und mit Blick auf den in Schottland mit einer Schulterverletzung ausgewechselten Ludovit Reis nicht nur in der Defensive drohen.

Stärken & Schwächen

45 Gegentore und damit die meisten unter den Top-6 der Abschlusstabelle kassierte der HSV in der 2. Bundesliga 2022/23 und noch einmal sechs weitere in den 180 Relegationsminuten gegen den VfB Stuttgart. Wo der Schuh am meisten drückt, war deshalb unverkennbar – und ist es angesichts der in dieser Hinsicht nicht wirklich überzeugend verlaufenen Vorbereitung auch weiterhin. Dass mit Mario Vuskovic der wohl beste Innenverteidiger noch lange aufgrund seiner Doping-Sperre fehlt, zudem Sebastian Schonlau, Jonas David und Neuzugang Ramos große Teile der Vorbereitung nicht oder nur eingeschränkt belastbar waren, sorgt im Abwehrzentrum für keine gute Ausgangsposition. Und auch Linksverteidiger Miro Muheim musste zuletzt passen, ist für den Auftakt fraglich.

Bei allen Sorgen, die den HSV im Defensivbereich plagen, steht mit Daniel Heuer Fernandes aber ein herausragender Torwart zwischen den Pfosten und offensiv waren die Hanseaten schon vergangene Saison mit 70 Toren nicht zufällig die gefährlichste Mannschaft. Mit den Neuzugängen Pherai und Öztunali wurde das Potential in diesem Bereich noch einmal erhöht, der Abgang von Kittel mehr als kompensiert. Auch von der Bank kann der HSV somit regelmäßig Qualität nachlegen, die andere Zweitligisten nicht einmal in der Startelf haben.

Trotz der vielen Enttäuschungen der letzten Jahre stehen die Fans treu zum HSV. Vielmehr ist sogar eine gewisse Euphorie vorhanden, die freilich bei negativen Ergebnissen und Leistungen auch ins Gegenteil umschlagen kann. Läuft es einigermaßen gut, ist aber mit dem Publikum als zwölftem Mann zu rechnen.

Will nach zwei knapp gescheiterten Anläufen mit dem HSV ins Oberhaus: Trainer Tim Walter. © picture alliance / xim.gs / Philipp Szyza

© picture alliance / xim.gs / Philipp Szyza

Der Trainer

Obwohl zweimal das Saisonziel verfehlt wurde, geht Tim Walter in seine dritte Saison als Trainer des HSV. Der 47 Jahre alte Fußball-Lehrer genießt das Vertrauen von Sportvorstand Jonas Boldt und auch bei den Fans hohe Wertschätzung. Gleichwohl steht Walter unter Druck und benötigt von Anfang an gute Ergebnisse, die idealerweise auch mit einem persönlichen Reifeprozess in Sachen Außendarstellung und Defensivverhalten seiner Mannschaft einhergehen sollten.

Von Walter, der in seinen beiden Jahren beim HSV einen beachtlichen Schnitt von 1,85 Punkten pro Partie erreicht hat, wird letztlich nichts anderes als der Aufstieg erwartet. Gelingt die Rückkehr in die Bundesliga nicht, wird es keine Verlängerung des bis Juni 2024 datierten Vertrages geben. Weil auch auf den Verantwortlichen hoher Druck lastet, könnte zudem bei Auftreten kritischer Situationen anders als in den letzten beiden Spielzeiten schon früher eine Reaktion erfolgen.

Der potentielle Shooting-Star

Mit einem Tor in auf zwei Kurzeinsätze verteilten zehn Zweitliga-Minuten weist Tom Sanne eine bemerkenswerte Quote auf und auch für die zweite Mannschaft in der Regionalliga Nord kam der 19 Jahre alte Angreifer vergangene Saison in 19 Partien auf immerhin sieben Treffer – neben zehn Toren in elf Einsätze für die U19 des HSV. Dem Nachwuchs ist der U19-Nationalstürmer nun entwachsen und kann an seinem persönlichen Durchbruch arbeiten. Die Konkurrenz mit Glatzel und András Németh ist im Sturmzentrum zwar groß, doch ist es Sanne mit seinem Torriecher zuzutrauen, eine sich bietende Chance beim Schopfe zu packen und künftig häufiger zum Einsatz zu kommen.

Die mögliche Startelf

Heuer Fernandes – Van der Brempt, Schonlau, Hadzikadunic, Muheim – Meffert – Jatta, Reis, Pherai, Dompé – Glatzel

Fazit & Prognose

Die Konkurrenz ist namhaft, der Erwartungsdruck hoch und die Personalsituation zum Start weit entfernt von optimal. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Saison könnten besser sein, aber dennoch glauben wir daran, dass der HSV im sechsten Versuch die Rückkehr in die Bundesliga schafft. Der Kader besitzt definitiv die Qualität auch für den direkten Aufstieg und wenn es Trainer Walter gelingt, die defensive Stabilität und die Balance im Spiel zu verbessern, wird der HSV auf Platz eins oder zwei landen.