Johannes Reichert vom SSV Ulm zum Abstieg: „Es tut unfassbar weh, wird uns aber helfen“

Im Interview spricht der Verteidiger über seine Gefühlslage

Autor: Oliver Jensen Veröffentlicht: Sonntag, 11.05.25 | 11:33

(imago / HMBxMedia FernandoxSoares)

Des einen Freud ist des anderen Leid. Während der Hamburger SV mit dem 6:1 euphorisch den Aufstieg feierte, musste der SSV Ulm den Abstieg verarbeiten. Der Verteidiger Johannes Reichert (33), der bereits seit 2016 für Ulm aktiv ist, sprach mit LIGA-ZWEI.DE über seine Gefühlslage und seinen Blick in die Zukunft.

Herr Reichert, viele Spieler vom SSV Ulm sind den Tränen nahe. Viel mehr muss man zur Gefühlslage vermutlich nicht sagen…

Ja, es tut unfassbar weh, auch dieser Kontrast. Wir kennen es ja auch aus den letzten zwei Jahren – dieser Aufstieg, diese Gefühlswelt im Vergleich zu so einem Abstieg. Das ist ganz, ganz bitter und tut sehr weh. Trotzdem müssen wir es leider akzeptieren.

Das Spiel begann aus Sicht von Ulm mit dem frühen Führungstreffer eigentlich perfekt…

Ja, es war ein perfekter Start. Ich glaube, das Spiel war auch ein Sinnbild für unsere Saison. Wir haben super gespielt, liegen in Führung, kassieren dann leider prompt den Ausgleich. Wir kamen auch wieder zurück ins Spiel. Trotz dieser unfassbaren Atmosphäre haben wir alles im Griff, kriegen den Elfmeter. Wir hätten zu einem sehr, sehr günstigen Zeitpunkt für uns in Führung gehen können. Ich glaube, das Spiel wäre dann ganz anders verlaufen. Aber der gehaltene Elfmeter war für den HSV ein riesiger Weckruf. Vor der Halbzeit machen sie noch zwei weitere Tore. Wie wir uns dann später auskontern ließen, war unserer Mannschaft nicht würdig. Aber wir waren auch ein Stückweit gebrochen, weil das schon so oft in dieser Saison passiert ist. Hinzu kam die Atmosphäre, die ich so noch nie erlebt habe.

Wie war die Situation in der Halbzeit, als Sie bereits mit 1:3 zurücklagen? Mit welcher Einstellung sind Sie in die 2. Halbzeit gegangen?

Wir wollten noch einmal alles riskieren. Im Endeffekt ist es auch egal, wie hoch wir jetzt hier verlieren. Wir wollten einen schnellen Anschlusstreffer machen, damit sie vielleicht noch mal anfangen zu zittern. Aber das ist uns nicht gelungen. Wir mussten das Risiko eingehen und sie haben uns ausgekontert.

Sie sprachen von einem Sinnbild der Saison…

Ja genau. Wenn man sich auch das Spiel in der letzten Woche (1:2 gegen Hannover 96, Anm.d.Red.) anguckt: Wir machen das 1:1, bekommen einen Elfmeter zum günstigen Zeitpunkt und verschießen diesen. Wenn man über die ganze Saison blickt, sollte es irgendwie nicht sein. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass wir irgendwie in jedem Spiel mehr als mithalten konnten. Daher haben wir das Gefühl, dass es hätte nicht sein müssen. Trotzdem ist es passiert. Und dann ist es auch verdient, leider Gottes. Wir müssen damit leben.

Wie lässt sich diese Gefühlslage zusammenfassen? Dankbar für diese Saison, aber trotzdem geht es jetzt zurück in die 3. Liga?

Ja, wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen. Wir waren vor zwei Jahren noch in der Regionalliga. Das soll jetzt keine Ausrede sein, aber das war jetzt erst unser zweites Jahr im Profifußball. Kein Mensch hätte gedacht, dass wir in der 2. Liga spielen würden. Nächstes Jahr steht unser drittes Jahr im Profifußball an. Wenn man bedenkt, dass wir davor 25 bis 30 Jahre eigentlich gar nicht präsent waren, bin ich der Meinung, dass der Abstieg für unseren Verein kein Beinbruch ist. Auch wenn jetzt der Abstieg sehr traurig ist, geht das Leben weiter.

Wie ist Ihr Blick auf die kommende Saison?

Wir werden nächstes Jahr in der 3. Liga spielen. Ich kann jetzt noch nicht sagen, in welcher Konstellation. Ich habe in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass es einen Umbruch im Team gibt. Das ist ganz normal. Aber die Saison in der 2. Liga hat dem Verein unfassbar viel gegeben. Wenn man bedenkt, dass wir vor zwei Jahren noch keine 3000, 4000 oder 5000 Zuschauer bei uns im Donaustadion hatten – und jetzt haben uns so viele Fans nach Hamburg begleitet. Wir wurden toll von unseren Fans unterstützt. In Ulm ist viel gewachsen, der Verein wird ganz anders wahrgenommen. Daher war das Jahr in der 2. Liga ein absoluter Gewinn für uns. Es wird uns bei unserem Ziel helfen, uns weiter im Profifußball zu etablieren.