Trainerlegende Gerd Schädlich: „Geld darf kein Alibi sein.“

Interview vor dem Sachsen-Derby

Autor: Simon Thijs Veröffentlicht: Donnerstag, 18.10.18 | 07:51
Gerd Schädlich in seiner zeit bei Erzgebirge Aue

Gerd Schädlich kennt den Fußball im Osten wie seine Westentasche. ©Imago/Picture Point

Gerd Schädlich war mit dem FSV Zwickau und Erzgebirge Aue als Trainer in der 2. Bundesliga, trainierte außerdem bis 2013 den Chemnitzer FC. Kaum jemand ist besser geeignet, sich zum Fußball im Osten der Republik zu äußern, als der 65-jährige Fußball-Rentner. Das anstehende Spiel zwischen Dynamo Dresden und Erzgebirge Aue haben wir zum Anlass genommen, mit ihm über den Aufschwung des Ostfußballs und seine Erfahrungen mit dem Sachsen-Derby zu sprechen.

Herr Schädlich, Sie haben in 239 Spielen der 2. Bundesliga bei Zwickau und Aue an der Seitenlinie gestanden. Wie intensiv verfolgen Sie die Liga noch?
Gerd Schädlich: „Schon noch intensiv, wenn auch meist nur im Fernsehen. Hin und wieder bin ich aber noch im Stadion und verfolge Spiele live.“

Magdeburg ist aufgestiegen, Union Berlin spielt eine gute Saison. Dresden und Aue haben sich Luft verschafft. Sehen Sie die Entwicklung des Ostfußballs positiv?
Schädlich: „Ich sehe vor allem in Dresden das Potential, auch mal aufzusteigen. Dresden ist Landeshauptstadt, Dynamo hat eine große Tradition, unter anderem im Europapokal. Ihnen traue ich zu, in naher Zukunft mal in der 1. Bundesliga zu spielen. Das wäre schön für den Osten, speziell für Sachsen.“

„ Rostock und Cottbus haben es auch geschafft. ”
über Aufstiegschancen der Ost-Vereine

Was für Probleme gibt es noch?
Schädlich: „Als Problem wird im Osten immer das Geld angegeben. Es ist sicherlich ein Punkt, darf aber nicht als Alibi herhalten. Es gab immer Beispiele wie Rostock und Cottbus, die es trotz schwieriger Lage geschafft haben, über längere Zeit in der ersten Bundesliga zu spielen.“

Am nächsten Spieltag heißt es Dresden gegen Aue. Das Spiel muss evtl. verlegt werden wegen einer politischen Demonstration in Chemnitz. Was sagen Sie dazu?
Schädlich: „Das finde ich wirklich schlimm. Ich wohne ja auch in Chemnitz und erlebe diese Dinge. Wenn Leute mit Hitler-Gruß durch die Gegend marschieren, das ist wirklich unterste Schublade. Justiz und Politik sind gefordert, müssen härter gegen so etwas vorgehen.“

Zum Sportlichen: Sie spielten oft mit Aue gegen Dynamo. An welches Duell mit Dresden erinnern Sie sich besonders gut oder gerne?
Schädlich: „Es waren schon einige Spiele. Es war 2005, wir hatten in der Woche im DFB-Pokal gegen Bayern München gespielt und 1:0 verloren durch ein Tor von Ballack kurz vor Schluss. Am Wochenende darauf spielten wir gegen Dresden, gewannen 4:1. Das bleibt schon in Erinnerung.“

„ Das wissen auch die Spieler. ”
über den hohen Stellenwert des Derbys bei den Fans

Von acht Duellen mit Dresden verloren Sie als Aue-Trainer nur einmal. Was ist das Erfolgsrezept für den Derby-Erfolg?
Schädlich: „Zu DDR-Zeiten hat man eigentlich in Dresden keine Chance gehabt zu gewinnen. Nach der Wende hat sich das dann gedreht. Die Bilanz für Aue wurde besser, man gewann ein paar Mal in Dresden, in Aue sowieso. Es hat eine gewisse Eigendynamik angenommen, dass Aue gegen Dresden oft gut ausgesehen hat.

Ob das jetzt für das Spiel etwas zu sagen hat, bezweifle ich. Fakt ist, das Spiel hat einen hohen Stellenwert bei den Fans, das wissen auch die Spieler und gehen engagiert zur Sache. Da musste ich als Trainer nichts Spezielles unternehmen.“

Aue hält am jungen Trainer Daniel Meyer fest trotz Startproblemen. Wie bewerten Sie den Fußball des FCE in dieser Saison, was muss besser werden?
Schädlich: „Sie haben eine gute Mannschaft zusammen, die den Klassenerhalt schaffen kann. Das haben sie in den Spielen gegen St. Pauli und Kiel gezeigt. Die Ansprüche dürfen nur nicht zu hoch werden. Zu meiner Zeit war es noch etwas Besonderes, wenn Aue in der 2. Bundesliga war und die Klasse hielt.

Jetzt hat man das ein paar Mal geschafft, da gewöhnt man sich vielleicht daran. Aber ich bleibe dabei: 2. Bundesliga ist für Aue etwas Besonderes. Wenn das gehalten werden kann, muss man den Hut ziehen.“

„ Im Derby spielt der Heimvorteil ohnehin keine große Rolle. ”
zur Heimschwäche von Dynamo Dresden

Dresden hat sich nach langen Jahren von Uwe Neuhaus getrennt. Was macht Maik Walpurgis besser?
Schädlich: „Ich kann seine Arbeit nicht einschätzen, dafür bin ich zu weit weg. Die Ergebnisse sprechen allerdings aktuell für Maik Walpurgis. Ich habe die Entlassung von Uwe Neuhaus jedoch bedauert, weil ich ihn ganz gut kenne und der Meinung bin, dass er sowohl bei Dynamo Dresden als auch Union Berlin gute Arbeit geleistet hat.“

Sowohl Dresden als auch Aue konnten sich in letzter Zeit nicht mehr auf ihre Heimstärke verlassen, trotz großer Fan-Unterstützung. Woran liegt das?
Schädlich: „Aue hat gegen St. Pauli und Kiel wie gesagt gute Spiele gemacht, gegen Sandhausen haben sie schlecht gespielt, aber das kommt immer mal vor. Ich denke, sie sind nach wie vor heimstark und die Gästemannschaften kommen mit einem gewissen Respekt.

Bei Dynamo hat es sich letztes Jahr gezeigt, dass sie zu Hause Probleme haben. Woran das liegt, kann ich aber nicht beurteilen. Im Derby spielt der Heimvorteil aber ohnehin keine große Rolle. Es wird ein Spiel auf Augenhöhe.“

„ Union ist in der Lage, um den Aufstieg mitzuspielen. ”
über die Chancen von Union Berlin

Wer gewinnt denn das Sachsen-Derby?
Schädlich: „Ich tippe auf ein Unentschieden: 2:2.“

Ihre Prognose zum Schluss: Wo landen Dresden und Aue, aber auch Union und Magdeburg am Saisonende?
Schädlich: „Aue wird die Klasse wieder halten, landet im hinteren Mittelfeld, Dresden im vorderen Mittelfeld. Magdeburg schneidet ähnlich ab wie Aue. Union ist dieses Jahr in der Lage, um den Aufstieg mitzuspielen. Das wäre eine tolle Sache für die Hauptstadt und einen Traditionsverein wie Union Berlin.“

Herr Schädlich, vielen Dank für das Gespräch!

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