Wintercheck Hertha BSC

Analyse & Prognose zur Rückrunde

Autor: Johannes Ketterl Veröffentlicht: Mittwoch, 17.01.24 | 12:50
© IMAGO / Jan Huebner

Hat sein Team nach Anlaufschwierigkeiten in die Spur bekommen: Pal Dardai. © IMAGO / Jan Huebner

Der Abstieg am Ende der vergangenen Saison war für Hertha BSC sportlich wie wirtschaftlich ein herber Schlag – und gleichzeitig eine Chance. Denn weil die finanziellen Mittel fehlten und weiterhin fehlen, bleibt dem Hauptstadtklub keine andere Wahl, als verstärkt auf den eigenen Nachwuchs zu setzen.

Der direkte Wiederaufstieg wurde angesichts dieser Voraussetzungen nicht offensiv als Ziel ausgegeben, doch wehren würde man sich in Berlin natürlich nicht dagegen, bliebe der Aufenthalt in Liga zwei von kurzer Dauer. Tabellenplatz sieben und nur sechs Punkte Rückstand auf Rang drei beinhalten nach der Hinrunde intakte Chancen auf den direkten Wiederaufstieg.

Die Hinrunde in der Zusammenfassung

Mit drei Niederlagen und 0:5-Toren hat Hertha BSC den Saisonstart komplett in den Sand gesetzt. Allerdings auch deshalb, weil einige Transfers erst spät getätigt werden konnten und die neuformierte Mannschaft Zeit benötigt hat, um sich zu finden. Mit zwölf Punkten aus den folgenden sieben Begegnungen lief es dann schon besser, ehe das Team von Trainer Pal Dardai ab dem elften Spieltag ungeschlagen blieb und in dieser Phase nicht nur ins auch wirtschaftlich attraktive DFB-Pokal-Viertelfinale eingezogen ist. Wegen zu vieler Unentschieden konnten im Hinrundenendspurt aber „nur“ 13 von 21 möglichen Punkten eingefahren werden, die aber ausreichend waren, um Anschluss ans vordere Tabllendrittel zu finden.

Stärken & Schwächen

Hertha BSC besitzt auf mehreren Positionen für Zweitliga-Verhältnisse herausragende individuelle Klasse. Haris Tabakovic, Florian Niederlechner und vor allem Fabian Reese sind offensive Unterschiedsspieler. Nicht von ungefähr werden die 33 Berliner Tore ligaweit nur von Fortuna Düsseldorf (37) überboten.

Die Defensive hat sich im zweiten Teil der Hinrunde mit den gestandenen Innenverteidigern Toni Leistner und Marc Oliver Kempf stabilisiert, wobei in dieser Hinsicht noch zu oft die Konstanz fehlte. So führt Hertha zwar die Tabelle der ersten Halbzeit an, rangiert in den zweiten 45 Minuten aber nur auf Rang 16. Zu diesem Abfall passend holten die Berliner nach Rückständen nur vier Punkte, gaben nach eigener Führung aber noch zehn Zähler ab.

Weil die spät verpflichteten Andreas Bouchalakis und Bilal Hussein noch nicht optimal eingeschlagen haben, zudem Palkó Dárdai, Bence Dárdai, Jeremy Dudziak und Ibrahim Maza mehr oder weniger große Teile der Hinrunde verletzungsbedingt verpasst haben, fehlte es im Zentrum zuweilen an Esprit. Zu viel hing deshalb davon ab, dass Reese über links gefährliche Situation kreiiert. .

Gewinner & Verlierer

Mehrere junge Spieler haben in den vergangenen Monaten große Schritte gemacht. Tjark Ernst im Tor, Pascal Klemens wahlweise als Sechser oder in der Innenverteidigung sowie Marten Winkler und zuletzt auch Derry Scherhant in der Offensive sind in diesem Zusammenhang als erstes zu nennen. Der größte Gewinner ist aber sicherlich Fabian Reese, der zu Saisonbeginn noch ein Verlierer war, hatte der Linksaußen doch im Januar 2023 noch in Erwartung eines Wechsels in die Bundesliga in Berlin unterschrieben. Reese schüttelte die Enttäuschung darüber aber schnell ab und avancierte mit vier Toren und sieben Vorlagen in der Liga sowie mit drei Toren und drei Assists im DFB-Pokal zum absoluten Schlüsselspieler – der bereits wieder im Oberhaus Interesse weckt. Zum Start in die Rückrunde allerdings fehlt Reese aufgrund der Folgen einer Corona-Infektion und hinterlässt vorerst eine große Lücke.

Der größte Verlierer ist unterdessen mit Marius Gersbeck schnell ausgemacht. Als potentielle Nummer eins vom Karlsruher SC zurückgeholt, stellte sich der Torhüter mit einem nächtlichen Ausflug samt Schlägerei während des Trainingslagers in Österreich selbst ins Abseits. Ab Anfang Oktober stand der zuvor wochenlang suspendierte Gersbeck zwar zumindest regelmäßig im Kader, doch an Youngster Ernst kommt der erfahrene Schlussmann erst einmal nicht mehr vorbei.

Winter-Transfers: Wer kommt, wer geht?

Von Beginn der Winterpause an war klar, dass Hertha BSC nur dann auf dem Transfermarkt wird zuschlagen können, wenn zuvor Akteure aus der zweiten Reihe wie Kelian Nsona, Myziane Maolida oder Anderson Lucoqui den Verein verlassen und für finanziellen Spielraum sorgen. Bislang allerdings steht das Trio trotz einiger Spekulationen um potentielle Interessenten weiter auf der Gehaltsliste. Anders als Leander Popp, der freilich nicht dem Profi-Kader angehörte, sondern vor seinem nun erfolgten Wechsel zur SpVgg Greuther Fürth zwischen U23 und U19 pendelte.

Sollte die Möglichkeit entstehen, einen neuen Spieler hinzuzuholen, dann dem Vernehmen nach am ehesten auf der Sechser-Position. Mit Jeremy Dudziak, Palkó Dárdai, Bence Dárdai, Ibrahim Maza und Agustin Rogel kehren indes auch einige länger verletzte Akteure zurück, die für mehr Optionen sorgen.

Vorbereitungsfazit & Prognose

Eine mit Siegen gegen Erzgebirge Aue (2:0) und die Glasgow Rangers (1:0) sowie einer Niederlage gegen KV Mechelen (0:3) und zahlreichen verletzungs- wie krankheitsbedingten Ausfällen durchwachsen verlaufene Vorbereitung ist kurz vor dem Rückrundenstart wegen des plötzlichen Todes von Präsident Kay Bernstein in den Hintergrund gerückt.

Auswirkungen auf den Start in die Rückrunde sind zwar nicht zwingend zu erwarten, aber auch nicht ausgeschlossen, steht der ganze Verein doch unter Schock. Nichtsdestotrotz trauen wir der Alten Dame zu, den positiven Trend aus den Wochen vor Weihnachten fortzusetzen und noch ein Wörtchen um die ersten drei Plätze mitzureden – wobei wir aber auch wegen der Abhängigkeit vom zum Rückrundenauftakt fehlenden Reese glauben, dass es am Ende nicht ganz reichen wird.