Hannover 96: Teamcheck 2019/20

Analyse & Prognose zur neuen Saison

Autor: Johannes Ketterl Veröffentlicht: Dienstag, 23.07.19 | 14:00
Waldemar Anton, Hendrik Weydandt und Marvin Bakalorz jubeln für Hannover 96.

Waldemar Anton (m.) feierte schon einmal den direkten Wiederaufstieg mit Hannover. ©Imago images/Joachim Sielski

Nach zwei Spielzeiten in der Bundesliga hat es Hannover 96 zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit erwischt. Wie 2016 musste 96 erneut den Gang in die Zweitklassigkeit antreten, nachdem es nicht gelungen ist, eine mit Rang 13 ordentliche erste Saison im Oberhaus zu bestätigen. Stattdessen reichte es 2018/19 nur zu äußerst dürftigen 21 Zählern. Dass der 1. FC Nürnberg (19) noch schwächer punktete, war kein wirklicher Trost am Ende eines verkorksten Jahres.

Nun findet sich Hannover in einer prominent besetzten 2. Bundesliga wieder, in der der direkte Wiederaufstieg schwieriger werden dürfte als 2016/17. Dennoch peilt 96 im ersten Anlauf die Rückkehr ins Oberhaus an. Im Teamcheck von Liga-Zwei.de blicken wir darauf, was sich in der Sommerpause bei 96 getan hat und wagen eine Prognose bezüglich der neuen Saison.

Kader & Transfers

Um den bei Absteigern üblichen Umbruch ist auch Hannover 96 nicht herumgekommen. Von den bislang 14 Abgängen sind indes die wenigsten schmerzhaft. Nur Ihlas Bebou (TSG 1899 Hoffenheim) und Niclas Füllkrug (Werder Bremen), deren lange Ausfälle in der vergangenen Saison wesentliche Gründe für den Misserfolg waren, sind gleichbedeutend mit einem enormen Qualitätsverlust.

In der Bundesliga bleiben auch Noah Sarenren-Bazee (FC Augsburg), der wegen anhaltenden Verletzungspechs nur sehr selten sein Potential abrufen konnte, sowie der kurz nach seiner Ausleihe von der TSG 1899 Hoffenheim im Winter auch verletzte Kevin Akpoguma. Der gleichfalls ausgeliehene Bobby Wood unternimmt derweil einen neuen Anlauf beim Hamburger SV. Die übrigen Leihspieler Nicolai Müller (Eintracht Frankfurt), Takuma Asano (FC Arsenal) und Kevin Wimmer (Stoke City) haben wohl auch bei ihren Stammvereinen keine Zukunft mehr.

Ex-Kapitän Pirmin Schwegler lässt seine Karriere bei den Western Sydney Wanderers in Australien ausklingen, während Oliver Sorg mit dem 1. FC Nürnberg auf 96 trifft. Torwart Samuel Sahin-Radlinger folgt dem bereits vergangene Saison zum englischen Zweitliga Aufsteiger verliehenen Mike Bähre zum FC Barnsley. Uffe Bech ist noch ohne neuen Verein, wohingegen der verliehene Leo Weinkauf schon seine erste Drittliga-Partie als Nummer eins des MSV Duisburg absolviert hat.

Neu im Kader stehen bisher neun Akteure, wobei die Suche nach weiteren Verstärkungen läuft. Unter den Neuen finden sich mit Niklas Tarnat, Justin Neiß, Sebastian Soto und Chris Gloster vier Akteure, die aus den eigenen Reihen befördert wurden. Ob die umworbenen U20-Nationalspieler der USA, Soto und Gloster, aber tatsächlich bleiben, scheint noch fraglich.

Als defensive Eckpfeiler eingeplant sind der vom VfB Stuttgart zurückgekehrte Ex-Nationaltorwart Ron-Robert Zieler und Innenverteidiger Marcel Franke, der zuletzt von Norwich City an Darmstadt 98 verliehen war. Sebastian Jung hofft auf den Stammplatz auf der rechten Abwehrseite und damit auch auf deutlich mehr Einsätze als in den letzten Jahren beim VfL Wolfsburg.

Für Tore sorgen sollen der vom FC Schalke 04 ausgeliehene Cedric Teuchert und Marvin Ducksch. Letzterer kommt nach einem enttäuschenden Jahr bei Fortuna Düsseldorf immerhin mit der Empfehlung, 2017/18 im Trikot von Holstein Kiel Torschützenkönig der 2. Bundesliga gewesen zu sein.

Die aktuelle Form

Nach drei klaren Siegen zum Start der Vorbereitung beim Mellendorfer TV (6:0), beim TSV Bemerode (6:1) und beim 1. FC Wunstorf (4:1) hatte Hannover 96 im vierten Test beim Lüneburger SK (3:2) schon einige Mühe. Während des Trainingslagers in Österreich wurde dann gegen den dortigen Erstligisten TSV Hartberg mit 0:2 verloren. Gegen den FK Rostov (2:1) und beim Grazer AK (3:1) wurde dafür Selbstvertrauen getankt.

Zurück in Deutschland kam 96 bei Hansa Rostock nicht über ein torloses Remis hinaus und verpatzte nach einem zwischenzeitlichen 4:0 beim HSC Hannover auch die Generalprobe gegen den FC Groningen (0:1).

Mirko Slomka trainiert Hannover 96

Funktionieren die Erfolgsrezepte von Mirko Slomka in Hannover erneut? ©Imago images/Christian Schroedter

Stärken & Schwächen

Zumindest zu Beginn der Saison gibt es noch einige störende Nebengeräusche. So ist die Zukunft mehrerer Akteure offen. Die Brasilianer Walace und Jonathas wollen und sollen gehen, doch noch fehlt es an Interessenten, die Hannovers Forderungen zu erfüllen bereit sind. Torwart Michael Esser, der trotz einer starken Saison durch die Zieler-Verpflichtung ins zweite Glied rutscht, sieht sich ebenfalls um. Und um die US-Talente Soto und Gloster gibt es seit Wochen anhaltende Wechselspekulationen.

Nach langem Ringen konnten unterdessen Marvin Bakalorz und Felipe als erfahrene Akteure und potentielle Leistungsträger gehalten werden. Zusammen mit den Neuzugängen Zieler und Franke sowie mit Waldemar Anton und Edgar Prib verfügt 96 damit über eine starke defensive Achse. Nach 71 Gegentoren und damit ligaweit den meisten in der vergangenen Spielzeit ist indes auch Stabilität gefragt.

Bezüglich der mit 31 Treffern zweitschwächsten Offensive der zurückliegenden Bundesliga-Saison sind hingegen noch Fragen offen. Die Neuzugänge Ducksch und Teuchert haben keine gute Saison hinter sich und potentielle Kreativkräfte wie Linton Maina und Florent Muslija müssen erst noch Konstanz nachweisen. Der als feste Größe eingeplante Hendrik Weydandt weist auch erst ein Jahr Profi-Erfahrung auf.

Wichtig wäre darüber hinaus, dass Hannover zu Hause wieder zu einer Macht wird. Elf Heimniederlagen wie vergangene Spielzeit waren definitiv zu viel. Gleichzeitig gelang 96 kein Auswärtssieg, sodass sowohl im eigenen Stadion als auch in der Fremde reichlich Steigerungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Der Trainer

Fünfeinhalb Jahre nach seiner Entlassung in der Winterpause 2013/14 ist Mirko Slomka zu Hannover 96 zurückgekehrt. Dort feierte der früher auch schon lange im Nachwuchs des Vereins tätige Fußball-Lehrer nach seinem Amtsantritt im Frühjahr 2010 zunächst den Klassenerhalt und führte 96 danach gleich zweimal nach Europa.

Den Hamburger SV rettete Slomka 2014 zwar vor dem Abstieg, musste aber nur wenige Monate später gehen. Erst im Winter 2016/17 kehrte der heute 51-Jährige ins Geschäft zurück, brachte den Karlsruher SC aber nicht in die Spur und musste noch vor Saisonende beim späteren Absteiger gehen. In Hannover steht Slomka nun fraglos unter Druck. Klappt es bei 96 nicht, dürfte es für den gebürtigen Hildesheimer künftig nicht einfacher werden, einen ambitionierten Verein zu finden.

Während seiner ersten Zeit als Profi-Trainer in Hannover war Slomkas Zehn-Sekunden-Regel ein großes Thema. Nach einer frühen Balleroberung sollte seine Mannschaft idealerweise innerhalb dieser Zeitspanne zum Abschluss kommen, um den Gegner ungeordnet zu erwischen und eine größtmögliche Chance auf einen Torerfolg zu haben. An dieser grundlegenden Philosophie hat sich nichts geändert, wobei Slomka bei seiner Vorstellung betonte, generell „offensiven und attraktiven Fußball“ spielen zu wollen.

Die mögliche Startelf

Trainer Slomka hat sich in der Vorbereitung nicht auf eine Grundordnung festgelegt. Eine Dreierkette ist möglich, doch wahrscheinlich dürften zumindest in den meisten Spielen eine Viererkette und ein 4-3-3 sein. Eine Doppelspitze ist mit dem vorhandenen Personal auch möglich.

Im zentralen Mittelfeld, das voraussichtlich mit fleissigen Spielern wie Bakalorz und Prib besetzt wird, fehlt noch eine Kreativkraft. Umso mehr hängt in dieser Hinsicht von den Offensivspielern ab. Neuzugang Teuchert droht dabei wegen einer gegen Groningen erlittenen Muskelverletzung auszufallen.

Die mögliche Startelf: Zieler – Jung, Franke, Felipe, Ostrzolek – Bakalorz, Anton, Prib – Ducksch, Weydandt, Maina

Fazit & Prognose

Hannover 96 hat vor dem Start noch einige Baustellen und sich in der Vorbereitung nur bedingt als Aufstiegsanwärter präsentiert. Die Mannschaft ist für Zweitliga-Verhältnisse zwar insgesamt überdurchschnittlich besetzt, doch für die direkte Rückkehr ins Oberhaus müsste schon alles perfekt laufen und zugleich die Konkurrenz schwächeln. Wahrscheinlicher ist, dass 96 auf den Plätzen vier bis sechs landet.