Boris Tomiak vom 1. FC Kaiserslautern im Interview: „Eine schwierige Phase schadet nicht“

Der Verteidiger spricht im Interview außerdem über seinen schwierigen Weg in den Profifußball

Autor: Oliver Jensen Veröffentlicht: Sonntag, 22.09.24 | 09:30

© IMAGO / Jan Huebner

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Boris Tomiak (26) vom 1. FC Kaiserslautern spricht im Exklusiv-Interview mit Liga-Zwei.de über die Unterschiede zwischen Friedhelm Funkel und Markus Anfang und über seinen hindernisreichen Weg in den Profifußball

Herr Tomiak, der 1. FC Kaiserslautern ist mit zwei Siegen und einem Unentschieden gut in die Saison gestartet. Wie ernüchternd waren danach die jüngsten Niederlagen gegen Hertha BSC und Hannover 96?

Ja, eigentlich sind wir gut in die Saison gestartet, das stimmt. Wir haben bisher sieben Punkte geholt, was in Ordnung ist. Aber natürlich sind wir absolut nicht damit zufrieden, dass wir kürzlich zwei Niederlagen in Folge hatten. Auch, wenn das mit Hertha und Hannover gegen zwei Spitzenmannschaften warn, haben wir trotzdem den Anspruch, auch gegen solche Vereine zu bestehen. Und das können wir auch.

Der Klassenerhalt und das DFB-Pokalfinale sorgten Ende der vergangenen Saison für Begeisterung, gerade auch mit dem guten Saisonstart. Spüren Sie jetzt bereits Nervosität im Umfeld aufkommen, dass es doch eine schwierige Saison werden könnte?

Ich bin jetzt schon ein paar Jahre hier und weiß, dass das Umfeld sehr emotional und auch geprägt durch die letzten Jahre ist. Nach den ersten drei Spielen war die Euphorie sehr groß. Das ist auch gut so. Jetzt gab es zwei Niederlagen. Dadurch prasselt schon mehr Kritik auf uns ein, teilweise aber auch zurecht. Denn wir können gegen Top-Mannschaften bestehen. Aber das Gute ist ja, dass wir jetzt schon wieder den nächsten Kracher zu Hause vor der Brust haben und das unter Beweis stellen können.

Und zwar am Samstagabend gegen den Hamburger SV. Die Hamburger reisen nach dem 5:0 gegen den SSV Jahn Regensburg mit viel Selbstvertrauen an. Wie schätzen Sie den Gegner ein?

Der HSV zählt genauso wie in den letzten Jahren zu den besten Mannschaften der Liga, die ganz klar das Ziel Aufstieg haben. Das ist ein Spitzenverein, der mit viel Selbstvertrauen anreist. Aber auch wir haben eine gute Qualität und bereits sieben Punkte geholt. Gerade in unserem eigenen Stadion muss man uns erst einmal besiegen.

Das letzte Aufeinandertreffen in Kaiserslautern endete mit einem 3:3. Welche Erinnerungen haben Sie an das Spiel?

Das war ein sehr wildes Spiel. Das könnte uns am Wochenende wieder erwarten. Wir spielen an einem Samstagabend unter Flutlicht zu Hause. Das Stadion wird brennen. Wir wollen erst einmal versuchen, hinten stabiler zu stehen und die Null zu halten. Dann schauen wir mal, was nach vorne geht.

Das ist ein guter Punkt. Ihre Mannschaft kassierte sieben Gegentore in den letzten zwei Spielen. Wo liegt das Problem in der Abwehr?

Sieben Gegentore sind definitiv zu viel für uns, denn wir haben eigentlich eine große Qualität in unserer Abwehr. Aber wenn man sich die Gegentreffer gegen Hannover anguckt, waren das keine Tore, bei denen wir schlecht verteidigt haben. Das zweite Gegentor war ein Eigentor und das dritte Gegentor haben wir kassiert, weil wir in der Nachspielzeit alles nach vorne geschmissen haben. Dennoch haben wir für unsere Verhältnisse zu viele Gegentore bekommen.

Der Hamburger SV hat mit Robert Glatzel einen der besten Mittelstürmer der Liga. Was macht es für einen Verteidiger so schwierig, ihn zu verteidigen?

Er ist natürlich ein super Stürmer, der in dieser Liga auch den Unterschied ausmachen kann. Er ist groß und wuchtig. Aber das war in den Partien der letzten Wochen nicht anders. Hannover hat auch Top-Stürmer in ihrem Kader. Wir müssen immer wach sein und körperlich gut dagegenhalten. Ich denke, dass wir das hinbekommen.

In der zurückliegenden Saison wurden Sie zuletzt von Friedhelm Funkel trainiert, seit dieser Saison nun von Markus Anfang. Inwiefern hat sich der Fußball Ihrer Mannschaft dadurch verändert?

Letztes Jahr stand die Defensive im Vordergrund, wir haben viel tiefer gestanden, dem Gegner mehr den Ball gegeben und verteidigt. Das war auch der Situation geschuldet, weil wir im Abstiegskampf steckten. Unter Markus Anfang haben wir einen ganz anderen Ansatz. Wir wollen den Ball haben, wir wollen mehr Ballbesitz haben und höher verteidigen.

Sprechen wir noch einmal über Ihren Weg in den Profifußball, der nicht frei von Hindernissen war. Sie entsprangen der Nachwuchsabteilung vom FC Schalke 04, verließen den Verein aber nach Ihrer ersten U19-Saison. Was war der Grund dafür?

Ich hatte mich damals in der U17 schwer verletzt. Dadurch war der Traum Profifußball zwar nicht zerstört, stand aber zunächst hintenan. Für mich begann dadurch eine lange Leidenszeit. Ich musste mich über meinen Heimatverein Rot-Weiss Essen und ein paar weitere Stationen in der Regionalliga wieder zurückkämpfen.

Haben Sie zeitweise daran gedacht, sich von dem Ziel Profifußball zu verabschieden?

Natürlich gab es Phasen in meiner Karriere, in der ich in der Regionalliga unterwegs war und darüber nachdachte, wie lange ich das noch machen würde. Natürlich denkt man dann darüber nach, in die Berufswelt zu gehen. Andererseits habe ich immer an mich geglaubt und nie aufgegeben.

Hatten Sie bereits erste Schritte unternommen, um möglicherweise einen normalen Beruf zu ergreifen?

Nein, nicht direkt. Aber als ich später bei der 2. Mannschaft von Fortuna Düsseldorf spielte, hatte ich nebenher einen Minijob im Labor des Uniklinikums in Essen.

Und dann hat es doch noch mit dem Profifußball geklappt…

Genau, das Jahr bei der 2. Mannschaft von Fortuna Düsseldorf war sehr wichtig für mich. Danach hatte ich die Möglichkeit, nach Kaiserslautern zu wechseln – damals noch in die 3. Liga. Ich hätte auch die Option gehabt, in Düsseldorf zum Kader der 2. Liga zu gehören. Aber ich dachte, ich mache erst einmal einen kleineren Schritt in die 3. Liga. Und seitdem war es wie ein kleiner Traum: Ich bin direkt Stammspieler geworden, wir sind aufgestiegen – einfach Wahnsinn.

Kann Ihre Geschichte auch ein Mutmacher für junge Spieler sein, weil der Weg in den Profifußball auch über Umwege möglich ist?  

Auf jeden Fall. Ich glaube, es gibt viele gute Spieler, die vielleicht früh mit einer Verletzung zu tun hatten oder vielleicht einfach ein, zwei Jahre länger brauchen als andere. Dann kann der Weg über die 3. oder 4. Liga sinnvoll sein. Es schadet nicht, wenn man auch mal schwierige Phasen durchmacht. Mich hat das noch stärker gemacht. Ich glaube, daran könnte man sich ein Beispiel nehmen, nie den Mut zu verlieren, weiter daran zu glauben und immer weiter an sich zu arbeiten. Vielleicht wird man dann belohnt.