Die Liga-Zwei.de-Sprechstunde: Interview Teil 2

Privatdozent Dr. Werner Krutsch im Gespräch

Autor: Andreas Breitenberger Veröffentlicht: Mittwoch, 16.08.17 | 07:50
Werner Krutsch von VfB Stuttgart II im DFB-Pokal beim Zweikampf

Sportmediziner Werner Krutsch (m.) erklärt für Liga-Zwei.de Fußball-Verletzungen. ©Imago/Sportfoto Rudel

Privatdozent Dr. Werner Krutsch war früher selbst Profi, entschied sich dann jedoch für die Medizin, wie er im ersten Teil des Interviews mit Liga-Zwei.de verriet. In der Liga-Zwei.de-Sprechstunde wird er unsere Redaktion künftig als Experte begleiten & verschiedene Verletzungen sowie deren Behandlungsmethoden vorstellen.

Dr. Krutsch leitet nicht nur die Sporttraumalogie der Uniklinik Regensburg, sondern fungiert auch als Verbandsarzt beim Bayrischen Fußballverband sowie als stellvertretender Direktor am FIFA Medical Centre.

Im zweiten Teil unseres Interviews spricht er darüber, an was er momentan forscht und in welchen medizinischen Bereich Profiklubs noch Nachholbedarf haben.

Herr Krutsch, als Leiter der Sporttraumatologie an der Uniklinik Regensburg müssen Sie Fußballern auch sagen, wenn ihre Laufbahn verletzungsbedingt vorbei ist. Wie sehr leiden Sie in diesen Momenten mit?
Werner Krutsch: „Ich analysiere den tatsächlichen Wunsch der Spieler. Es kommt dann meist eine konsequente Klarstellung wie: „Das oder dies sind die Vor- und Nachteile eines Karriereendes und wenn du manches später beruflich oder privat noch gerne machen möchtest, solltest du aufhören.“ Viele sind dann einsichtig.

Andererseits ist man nur einmal jung und fit, also sollte man herausfiltern wer mit dem Fußballspielen um jeden Preis weitermachen will und diese Alternative auch bekommen sollte. Es gibt viele moderne medizinische Möglichkeiten, die wir dann anwenden können, und zwar bei allen Spielern, nicht nur bei Profis.“

Sie schauen privat ein Fußballspiel und jemand verletzt sich: Denken Sie im Kopf schon an die Diagnose?
Krutsch: „Ja, an die Verdachtsdiagnose und an die Folgen. Es ist oft so, dass man auf den TV-Bildern relativ genau sieht, wie die Verletzung passiert ist, besser als auf der Ersatzbank. Dann denke ich eigentlich immer sofort darüber nach, welche Behandlungsschritte jetzt auf den Spieler zukommen und wie lange er ausfallen wird. Dieses Denken kann ich auch nicht abstellen.“

„ In der Prävention von Verletzungen gibt es Verbesserungsbedarf ”
über die medizinischen Bereiche der Profiklubs

In welchem Gebiet könnten die medizinischen Bereiche der Profi-Klubs Ihrer Meinung nach noch nachlegen?
Krutsch: „Das ist pauschal schwierig zu beantworten, aber am ehesten in der Prävention. Deutschland hat in der medizinischen Versorgung allgemein, ob das die Diagnostik oder die Behandlung von Verletzungen ist, einen weltweit anerkannten Status. Gerade im Profifußball kann man sich und sollte man sich im medizinischen Bereich viel leisten.

Die Prävention hingegen ist kein Teil der Medizinerausbildung, jeder Arzt muss sich dieses Wissen also selbst aneignen. Das ist schwierig, da es dabei große sportartenspezifische Unterschiede gibt. Daher gibt es in der Prävention auf jeden Fall Verbesserungsbedarf.“

Sie sind stellvertretender Direktor am Fifa Medical Centre Regensburg. Was ist dort Ihre Aufgabe?
Krutsch: „Das Fifa Medical Centre ist eine Zertifizierung des Fußball-Weltverbandes für medizinische Kompetenzzentren im Fußball weltweit. Unter dem Dach der FIFA werden dabei verschiedene Studien und Projekte zur Fußballmedizin und insbesondere Studien zur Verbesserung der Prävention durchgeführt. Also kann ich Wissenschaft mit Hobby verbinden und das macht natürlich großen Spaß.“

„ Die eigenen Schwächen werden unterschätzt und dann kommt es zu Verletzungen ”
über die Verletzungsanfälligkeit in der Vorbereitung

Welche Studien sind das genau?
Krutsch: „Es gibt zurzeit zwei Großthemen. Ein Thema ist die Prävention von Schädelhirntraumen im Fußball. Wir versuchen die Angst zu reduzieren, dass das Kopfballspiel im Fußball an sich gefährlich sein soll. Das eigentliche Problem sind eher die Gehirnerschütterungen, die zu häufig bagatellisiert werden.

Das zweite große Thema sind Kreuzbandverletzungen, die ja zu den längsten Ausfallzeiten im Fußball führen. Wir untersuchen alle Einflussfaktoren, die zu diesen Verletzungen führen und entwickelten vor drei Jahren das sogenannte „Kreuzbandregister im Deutschen Fußball“.

Das ist vor allem für die Vereine zur Prävention von Kreuzbandverletzungen hilfreich, denn wir filtern dabei Risiken heraus, die mit dem typischen Alltag in den Vereinen zu tun haben. Aus diesen Daten wollen wir lernen und diese Verletzungen verhindern.“

Zlatko Janjic vom MSV Duisburg und Ryo Miyaichi von St. Pauli rissen sich erst kürzlich das Kreuzband. Ist dieser Bereich in der Vorbereitung besonders anfällig?
Krutsch: „Nicht das Kreuzband an sich, sondern Faktoren wie die Neuromotorik und die Rumpfstabilität können in der Vorbereitung Schwächen zeigen. In der Vorbereitung geht es gleich zu Beginn um die Stammplätze.

Die Spieler powern also gleich mit 100 Prozent rein, können aber eigentlich physisch und psychisch noch nicht auf dem höchsten Level sein. Besonders bei Vorbereitungsspielen in den ersten Wochen, häufig gegen Gegner aus unteren Spielklassen, werden die eigenen Schwächen unterschätzt und dann kommt es zu Verletzungen.

Hierbei würde ich im Allgemeinen empfehlen den Leistungsstand der Spieler sehr genau und individuell von Beginn an zu überprüfen und nur diejenigen Spieler vollständig einzusetzen, die den Anforderungen gerecht werden. Diese Prüfung kann man mit Testinstrumenten durchführen, vieles sieht und fühlt man aber auch bei der Untersuchung der Spieler.

Zudem besteht für Spieler von Mannschaften, die aufgestiegen oder die zu einem Verein in einer höheren Liga gewechselt sind, durch die kurzfristig steigende Belastung im Training wie auch im Spiel ein höheres Risiko einen Kreuzbandriss zu erleiden. Auch das zeigt das Kreuzbandregister.“

Im nächsten Teil des Interviews lernt Ihr eine moderne Form der Trainingssteuerung kennen und erfahrt, was es mit der Ärzte-WM auf sich hat.

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